Skip to main content

Mechanismen des kommunalen Antiziganismus: Neue Grenzziehungspraktiken am Beispiel einer westdeutschen Großstadt – ein Forschungswerkstattbericht

  • Chapter
  • First Online:
Kontinuitäten der Stigmatisierung von ,Asozialität'

Zusammenfassung

Unter Schlagworten wie ‚Armutszuwanderung aus Südosteuropa‘ entwickelte sich verstärkt seit 2013 ein politischer Abwehrdiskurs in Bezug auf die EU-Binnenmigration aus Rumänien und Bulgarien. Ausgehend von der These, dass es – als Gegenbewegung zum Abbau territorial-nationaler Grenzen innerhalb der Europäischen Union – zu neuen Praktiken kommunaler Grenzziehung kommt, gehen wir der Frage nach deren Mechanismen auf den Grund. Hierfür untersuchen wir am Beispiel einer deutschen Großstadt die Etablierung einer exkludierenden ‚Unbequemlichkeitskultur‘. Auf Basis von geführten Interviews mit kommunalen Akteur*innen aus dem städtischen Unterbringungsbereich diagnostizieren wir einen arbeitsteiligen Prozess des institutionellen Antiziganismus, der sich in desintegrierend-segregierten Unterbringungen in städtischer Randlage materialisiert.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Subscribe and save

Springer+ Basic
$34.99 /Month
  • Get 10 units per month
  • Download Article/Chapter or eBook
  • 1 Unit = 1 Article or 1 Chapter
  • Cancel anytime
Subscribe now

Buy Now

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 59.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 74.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Similar content being viewed by others

Notes

  1. 1.

    Der Begriff Antiziganismus ist selbst Gegenstand einer kontroversen Debatte (exemplarisch End 2013). Wir benutzen diesen Begriff einerseits vor dem Hintergrund, dass er sich mittlerweile im öffentlichen Sprachgebrauch (auch durch Selbstvertretungsorganisationen wie dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma) durchzusetzen beginnt und andererseits, weil der antiziganistische Rassismus mit dem über die Jahrhunderte überlieferten projektiven Gegenbild des/der ‚Zigeuner*in‘ – trotz sprachlicher Metamorphosen – auch heute noch verbunden ist.

  2. 2.

    Eine einschlägige longue durée des Antiziganismus liegt bis heute nicht vor. Eine lesenswerte Einführung in die Sozialgeschichte der Minderheit der Sinti*zze und Rom*nja, die mit den kulturrassistischen Paradigmen der sogenannten ‚Tsiganologie‘ bricht, hat Karola Fings (2016) vorgelegt.

  3. 3.

    Das Projekt wird im Auftrag der Unabhängigen Kommission Antiziganismus, die im März 2019 im deutschen Bundesinnenministerium konstituiert wurde, an der Leibniz Universität Hannover durchgeführt.

  4. 4.

    Die untersuchte Stadt und alle Akteur*innen werden anonymisiert.

  5. 5.

    Siehe exemplarisch eine aktuelle Fallstudie von Stefanie Gora (2019) für die Stadt Mannheim oder grundlegend zu Mechanismen des medialen Antiziganismus die Studie von Markus End (2014).

  6. 6.

    Siehe exemplarisch für Schweden die Hinweise von Persdotter (2019, S. 221 ff.).

  7. 7.

    Auffällig ist – auch im kommunalen Handlungskatalog der von uns untersuchten Stadt – eine fragwürdige Nutzung statistischer Maßzahlen. Siehe hierzu exemplarisch Bade (2014).

  8. 8.

    Siehe exemplarisch zur Stadt München die Studie von Lisa Riedner (2018, S. 172 ff.).

  9. 9.

    Das Gesetz unterscheidet an dieser Stelle zwischen ‚freiwilliger‘ und ‚unfreiwilliger‘ Obdachlosigkeit. Unfreiwillige Obdachlosigkeit wird als eine Gefährdung des Schutzgutes der öffentlichen Sicherheit aufgrund der Beeinträchtigung des Rechtes auf Leben und Gesundheit der Betroffenen betrachtet. Für die ‚Gefahrenabwehr‘ sind die Kommunen sachlich zuständig. Durch Zuweisung eines Platzes in einer Notunterkunft kann sie abgewendet werden (Ruder 2017).

  10. 10.

    Dieser rechtliche Rahmen und die Regelung, dass die zuständige kommunale Verwaltung bei der Unterbringung von obdachlosen Personen als nachgeordnete Sicherheitsbehörde tätig wird, verweist auf ein Institutionenhandeln, das durch eine versicherheitlichende und in der Folge zumeist auch kriminalisierende Handlungsrationalität geprägt ist. Komplementär hierzu besteht eine sozialpädagogisch-fürsorgerische Handlungslogik, die auf einschlägigen sozialrechtlichen Rahmenbedingungen gründet.

  11. 11.

    An mehreren Stellen im Interview lässt der Wohnamtsleiter keinen Zweifel darüber aufkommen, gegen wen sich die institutionelle Sonderbehandlung richtet: „Und das sind zumindest nach unserem Eindruck, ohne dass wir das jetzt genau belegen und prüfen auch überwiegend ähm Menschen, die zu dieser Volksgruppe der Roma gehören.“ (Interview B106, Zeile 137–139).

  12. 12.

    Zur Funktion des Lagers als Ort überwachender Machtausübung und als Disziplinarinstitution siehe insbesondere Foucault 2008, S. 220 ff.

Literatur

  • Bade, Klaus. 2014. „Armutswanderung“: Pragmatismus, Rassismus und Negative Integration. https://www.migazin.de/2014/03/18/bade-armutswanderung-pragmatismus-rassismus-negative-integration/. Zugegriffen: 4. Juni 2020.

  • Becker, Howard. 1963. Outsiders. Studies in the sociology of deviance. New York: The Free Press.

    Google Scholar 

  • Blumer, Herbert. 1958. Race prejudice as a sense of group position. The Pacific Sociological Review 1 (1): 3–7.

    Article  Google Scholar 

  • End, Markus. 2013. Antiziganismus. Zur Verteidigung eines wissenschaftlichen Begriffs in kritischer Absicht. In Antiziganistische Zustände 2. Kritische Positionen gegen gewaltvolle Verhältnisse, Hrsg. Alexandra Bartels, et al., 39–72. Münster: Unrast.

    Google Scholar 

  • End, Markus. 2014. Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit. Strategien und Mechanismen medialer Kommunikation. Heidelberg: Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma.

    Google Scholar 

  • Fings, Karola. 2016. Sinti und Roma. Geschichte einer Minderheit. München: Beck.

    Book  Google Scholar 

  • Foucault, Michel. 2008. Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

    Google Scholar 

  • Glaser, Barney G., und Anselm L. Strauss. 1967. The discovery of grounded theory. Strategies for qualitative research. Chicago: Aldine Publishing Company.

    Google Scholar 

  • Gomolla, Mechtild, und Frank-Olaf. Radtke. 2007. Institutionelle Diskriminierung. Die Herstellung ethnischer Differenz in der Schule, 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag.

    Google Scholar 

  • Gora, Stefanie. 2019. Die aktiven Passiven. Antiziganistische Fremdheitskonstruktionen am Beispiel der Diskussion um , Armutszuwanderung‘ in Mannheim. In Minderheiten und Arbeit im 19. und 20. Jahrhundert. Aspekte einer vielschichtigen Beziehungsgeschichte, Hrsg. Daniela Gress, 207–227. Heidelberg: heiBOOKS.

    Google Scholar 

  • Persdotter, Maria. 2019. Free to move along. On the urbanisation of cross-border mobility controls – A case of Roma ‘EU migrants’ in Malmö, Sweden. Malmö: Malmö University.

    Book  Google Scholar 

  • Giovanni, Picker. 2017. Racial cities. Governance and the segregation of Romani people in Urban Europa. London: Routledge.

    Google Scholar 

  • Riedner, Lisa. 2018. Arbeit! Wohnen! Urbane Auseinandersetzungen um EU-Migration. Eine Untersuchung zwischen Wissenschaft und Aktivismus. Münster: Edition assemblage.

    Google Scholar 

  • Ruder, Karl-Heinz. 2017. Obdachlosenpolizeirecht. Die Verpflichtung der Gemeinden, jedem Obdachlosen eine menschenwürdige Unterkunft zur Verfügung zu stellen. In Ohne Wohnung in Deutschland. Armut, Migration und Wohnungslosigkeit, Hrsg. Stefan Gillich und Rolf Keicher, 158–175. Freiburg: Lambertus-Verlag.

    Google Scholar 

  • Widmann, Peter. 2001. An den Rändern der Städte. Sinti und Jenische in der deutschen Kommunalpolitik. Berlin: Metropol.

    Google Scholar 

  • Yuval-Davis, Nira, Georgie Wemyss, und Kathryn Cassidy. 2019. Bordering. Cambridge: Polity.

    Google Scholar 

  • Zimmermann, Michael, und Landeszentrale für politische Bildung Hamburg. 2002. Deportation ins „Generalgouvernement“. Zur nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti und Roma aus Hamburg. In Die nationalsozialistische Verfolgung Hamburger Roma und Sinti. Fünf Beiträge, Hrsg. Landeszentrale für politische Bildung Hamburg, 61–80. Hamburg: LpB Hamburg.

    Google Scholar 

  • Zimmermann, Michael. 2007. Zigeunerpolitik und Zigeunerdiskurse im Europa des 20. Jahrhunderts. In Zwischen Erziehung und Vernichtung. Zigeunerpolitik und Zigeunerforschung im Europa des 20. Jahrhunderts, Hrsg. Michael Zimmermann, 13–70. Stuttgart: Franz Steiner.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Editor information

Editors and Affiliations

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2021 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature

About this chapter

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this chapter

Neuburger, T., Hinrichs, C. (2021). Mechanismen des kommunalen Antiziganismus: Neue Grenzziehungspraktiken am Beispiel einer westdeutschen Großstadt – ein Forschungswerkstattbericht. In: Amesberger, H., Goetz, J., Halbmayr, B., Lange, D. (eds) Kontinuitäten der Stigmatisierung von ,Asozialität'. Citizenship. Studien zur Politischen Bildung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32449-0_8

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-32449-0_8

  • Published:

  • Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-658-32448-3

  • Online ISBN: 978-3-658-32449-0

  • eBook Packages: Social Science and Law (German Language)

Publish with us

Policies and ethics