Zusammenfassung
Aus welcher Perspektive, man könnte auch sagen, mit welcher Linse, sollen Ereignisse, Prozesse und Entwicklungen in Vergangenheit und Gegenwart betrachtet werden? Welches sind die maßgeblichen Faktoren, die eben jene Ereignisse, Prozesse und Entwicklungen geprägt haben? Oder anders formuliert: Wer oder was sind die treibenden Kräfte, die die Welt, in der wir leben, formen und geformt haben? Ausgehend von diesen einleitenden Fragen, die zu den zentralen der politischen Wissenschaft gezählt werden können, stellt der Beitrag den personenbezogenen Ansatz der Politikwissenschaft vor.Dazu werden zunächst die wesentlichen Annahmen der personenbezogenen Forschung präsentiert. Anschließend werden die Einflussmöglichkeiten von Personen und ihren jeweiligen Charaktermerkmalen auf (welt-)politische Entscheidungen kritisch beleuchtet und Vorzüge des Ansatzes identifiziert. Anknüpfend an Bonner Traditionen der politischen Wissenschaft und Zeitgeschichtsforschung, werden eine Forschungsagenda entwickelt und Zukunftsperspektiven des Ansatzes aufgezeigt. Der Beitrag schließt mit der Erkenntnis, dass die (Rück-)Besinnung auf den Faktor Persönlichkeit in der internationalen Politik einen enormen Erkenntnisgewinn verspricht.
Aus welcher Perspektive soll man das 20. Jahrhundert erfassen, das sich gegenwärtig ohne allzuviel Hoffnung und unter ziemlich ratlosen Regierungen dem dritten Jahrtausend entgegenwälzt? Je nach Standort und Temperament des Betrachters fallen die Antworten unterschiedlich aus. Aber niemand wird ernstlich bestreiten wollen, daß unser Jahrhundert eine erstaunliche Anzahl denkwürdiger politischer Gestalten heraufgeführt hat: große Ungeheuer, große Retter, große Ruinierer, große Reformer, Staatsgründer und Stabilisierer, doch auch jede Menge großer Mediokritäten und großer Esel
(Schwarz 1998 , S. 11).
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Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird durchgehend das generische Maskulinum verwendet. Gerade der personenbezogene Ansatz, mit seinem Fokus auf Individuen, politische Ämter, Positionen usw., macht diese sprachliche Vereinfachung nötig, die jedoch keinesfalls als exkludierend zu verstehen ist.
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Ohnesorge, H.W., Gu, X. (2021). Persönlichkeit und weltpolitische Gestaltung – Annahmen und Forschungsagenda des personenbezogenen Ansatzes. In: Ohnesorge, H.W., Gu, X. (eds) Der Faktor Persönlichkeit in der internationalen Politik. Persönlichkeit und weltpolitische Gestaltung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-32348-6_1
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