Zusammenfassung
In der Gegenwart gibt es Versuche künstlerischer Praxis, in denen die Frage nach Entgrenzungsbewegungen der Kunst entlang von Grauzonen zu beschreiben wäre. Und im Design stellt sich die Frage, inwiefern DesignerInnen heute Produktions- und Zirkulationsweisen adaptieren, die traditionell eher der Kunst zuzurechnen sind. Im Zusammenhang mit einer kritischen Theorie des Designs, aber auch vor dem Hintergrund gegenwärtiger Diskurse um das Social Design oder das Critical Design zeigt sich, dass die Gestaltung nicht (oder weniger) entfremdeter Verhältnisse als Perspektive progressiver Gestaltung heute erscheinen kann. Andererseits zeichnet die Kunst selbst eine Reflexion von Möglichkeitsbedingungen solcher Praxis nach und versucht, Hoffnungen an eine Transformation des Sozialen im Namen befreiter intersubjektiver Verhältnisse zu artikulieren. Kunst versucht also, gestalterische Form herrschaftsfreier Kommunikation zu sein und thematisiert diesen Anspruch programmatisch als Gegenstand einer Reflexionsbewegung in und gegenüber dem Design der Gegenwart sowie gegenüber historischen Positionen.
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Notes
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Die Idee der Concept Stores hat insbesondere in der Mode- und Luxusgüterindustrie seit den 2000er-Jahren weite Verbreitung gefunden. Vgl. zu der hier mobilisierten Logik ästhetischer Inszenierungen von Konsumwelten auch Böhme (2016).
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https://oma.eu/projects/prada-epicenter-new-york (Abruf: 22.01.2020).
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In welchem Maße emanzipatorische Forderungen im Museumsbereich auf Ökonomien der Finanzen und der Aufmerksamkeit treffen, hat die Kunstwissenschaftlerin Beatrice von Bismarck in Bezug auf die ambivalente Rolle der zeitgenössischen Museen festgehalten (Vgl. hierzu Bismarck 2006, S. 45).
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Eine Beschreibung des Projekts findet sich auf der Website der Gruppe. https://www.superflex.net/tools/supergas (Abruf: 20.01.2019).
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Vgl. die Liste ihrer „tools“ auf der Website von Superflex. https://www.superflex.net/tools (Abruf: 22.01.2020).
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Es wäre daher ein Missverständnis, die Arbeiten einzig und allein entlang ihrer effektiven sozialen Transformationskraft zu beurteilen, wie das in der Kunstkritik häufig vorgeschlagen wurde. Der spanische Kritiker und Kurator Octavio Zaya hat in einem Artikel nahegelegt, dass die orangefarbenen Biogasanlagen von Superflex zukünftig die afrikanischen Steppenlandschaften übersäen würden und die Kunst damit zu einem effektiven Werkzeug der Entwicklung des afrikanischen Kontinents würde (vgl. hierzu Nacking 1998, S. 55). Für einen so bemessenen Erfolg des Projektes wäre es aber notwendig, Supergas aus seiner künstlerischen Autorschaft zu lösen und in die Hände von Entwicklern zu legen, die mit größerem Budget und technischem Know-How eine Massenproduktion vorantreiben könnten.
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Bereits in den 1980er-Jahren hat der Designtheoretiker Lucius Burckhardt, eine der zentralen Figuren des Social Design, darauf hingewiesen, dass Gestaltung immer auch die institutionellen und gesellschaftlichen Kontexte umfasst – wenn auch häufig implizit bzw. „unsichtbar“ – in welche wir in umfassenden lebensweltlichen Praxiszusammenhängen eingelassen sind (Burckhardt 2010, S. 214). Nimmt man dies beim Wort, dann heißt Gestaltung immer auch die Gestaltung von Rahmenbedingungen sozialer Kommunikation, von deren Gelingen oder Scheitern, deren Erweiterung oder Einschränkung. In einem vergleichbaren Sinn notierte in den 1980er-Jahren auch der Philosoph Albrecht Wellmer, dass die progressiven Formen des Designs immer auch eine Klärung der „Zweckzusammenhänge und Lebensformen“ (Wellmer 1985, S. 132) implizieren, auf die hin sie überhaupt entworfen werden. Wellmer bezog sich in seinem berühmten Vortrag vor dem Deutschen Werkbund auf den Funktionalismus der Moderne, welcher durch seine zunehmende Vergessenheit der reflexiven Zweckklärungen in Verruf geraten war.
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Vgl. die Präsentation von Warka Water im Internet. https://www.warkawater.org/ (Abruf: 20.01.2020).
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Das Projekt Little Sun wird im Netz ebenfalls umfangreich dokumentiert. Der Vertrieb in Europa wird über einen Onlineshop organisiert. https://littlesun.com/ (Abruf: 22.01.2020).
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Vgl. in diesem Sinn auch die Kritik von Quack (2012). Das von der Weltbank finanzierte Projekt „Lighting Africa“ unterstützt unter anderem ähnliche Ansätze und Produktideen in regionalen Kontexten in Afrika, mit dem Ziel, lokale Gestalter, Ingenieure und Produzenten langfristig vor Ort zu fördern. Vgl. hierzu die Informationen über das Projekt „Lighting Africa“ im Netz. https://www.lightingafrica.org/ (Abruf: 20.01.2020).
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Die Website des Projektes ist unter folgender Adresse im Internet zu finden: https://new-eelam.com/ (Abruf: 20.01.2020).
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https://new-eelam.com/ (Abruf: 20.01.2019).
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Mühl, S. (2021). Die Designrezeption in der Gegenwartskunst. In: Bauer, C., Popp, JF., Schweppenhäuser, G. (eds) Aufklärung durch Gestaltung in digitalen Umwelten. Würzburger Beiträge zur Designforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31827-7_5
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