Zusammenfassung
In dieser Arbeit biete ich zuerst eine kurze Rekonstruktion des Wegs der Kritischen Theorie von Horkheimer zu Habermas an. Dann versuche ich zu zeigen, wie sich andere aus Mexiko stammenden Reflexionen mit denen der Kritischen Theorie treffen, in denen Bemühungen um einen erweiterten und differenzierteren Demokratie-, Politik- und Gesellschaftsbegriff deutlich werden. Im Mittelpunkt stehen die Überlegungen von drei mexikanischen Denkern: José Revueltas, Enrique González Rojo und Carlos Pereyra. Diese überschneiden sich mit Ideen anderer Denker, die ebenfalls von der Kritischen Theorie inspiriert wurden wie z. B. Helmut Dubiel, Günther Frankenberg und Ulrich Rödel auf der einen Seite und Alexander Kluge und Oskar Negt auf der anderen Seite. Es soll vor allem darum gehen, ein Verständnis von Gesellschaft und Demokratie im Rahmen fließender Beziehungen und sich wandelnder Konstellationen zu entwerfen, deren rechtliche, politische und institutionelle Ordnungen und Gestalten niemals als abgeschlossen betrachtet werden können und daher stets mit den von organisierten Bürgern ausgehenden Forderungen, Wünschen und Interessen verbunden sein müssen.
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Notes
- 1.
Auf Horkheimer bin ich in umfassenderer Form in Leyva (1999) eingegangen.
- 2.
Vgl. die Fußnote bei Horkheimer (1937a, S. 180).
- 3.
Zu dem Folgenden s. Habermas (1981, Bd. II, S. 555 ff.).
- 4.
Es handelt sich um die Unterscheidung zwischen einem „inneren Kreis“, dem die engeren Mitarbeiter des Instituts wie etwa Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse, Leo Löwenthal und Friedrich Pollock angehören, und einem „äußeren Kreis“, bestehend aus Walter Benjamin, Franz Neumann, Otto Kirchheimer und auch Erich Fromm. Diese Unterscheidung wurde von Habermas eingeführt und dann von anderen wie etwa Honneth aufgenommen. (Vgl. Habermas 1981, Bd. II, S. 558 und Honneth 1990, S. 45 ff.).
- 5.
Dieses Problem wird ausführlich im Rahmen einer Diskussion mit den Werken Talcott Parsons’ und Niklas Luhmanns analysiert, insbesondere in dem Exkurs in Abschnitt VI des zweiten Bandes (vgl. Habermas 1981, Bd. II, S. 173 ff.).
- 6.
- 7.
In diese Richtung gehen Habermas zufolge die politischen Schriften Hannah Arendts. (Vgl. Habermas 1992, S. 360).
- 8.
Laclau und Mouffe (1983): „La estrategia socialista: ¿Hacia dónde ahora?“, in: Zona Abierta, 28, Madrid, April-Juni 1983, S. 57; zitiert bei Pereyra (1983b, S. 45), Fußnote. Hier entwirft Pereyra eine frontale Kritik an allen möglichen – in erster Linie an den von Marx inspirierten – Versuchen, Politik im Horizont einer Logik der gesellschaftlichen Klassen zu denken. Im konkreten Fall von Marx basiert ein solches Vorhaben auf zwei eng miteinander verbundenen Annahmen: einerseits einer spekulativen Anthropologie, die in seinen Jugendwerken beschrieben und mit einer bestimmten Geschichtsphilosophie verknüpft ist. Aufgrund deren wird die Entfremdung von einem vermeintlichen menschlichen Wesen zu einem der interpretativen Schlüssel zur Analyse der realen Situation des Proletariats, die, verstanden im Horizont einer Geschichtsphilosophie, der Arbeiterklasse somit eine geschichtliche Rolle verleihen kann, die in der Lage ist, das verlorene Wesen nicht nur ihrer selbst als Klasse, sondern gleichzeitig auch der Menschheit als ganzer wiederherzustellen. Andererseits wird die Rolle, die Marx der Arbeiterklasse im historischen Prozess zuweist, durch eine Analyse der modernen kapitalistischen Gesellschaften erklärt, die er der wirtschaftlichen Sphäre zuordnet, der Art und Weise, wie Menschen miteinander und mit der Natur in Beziehung treten im Rahmen von deren Aneignung und Transformation durch den Arbeitsprozess und der Verhältnisse, die sie im Rahmen dieses Prozesses untereinander eingehen, der zentralen Rolle in den Prozessen der Konstitution und Reproduktion der Gesellschaft; damit macht er die Politik zu einem „Überbau“-Phänomen, das nur aus der und ausgehend von der ökonomischen Sphäre vollständig erklärt werden kann (vgl. Pereyra 1983b, S. 45–47). Es sind diese kategorialen Voraussetzungen, die Marx nach Pereyra dazu veranlassen, „…eine unzureichende Antwort auf die Frage zu geben, wie sich politische Subjekte konstituieren“ (vgl. Pereyra 1983b, S. 48).
- 9.
- 10.
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Leyva, G. (2020). Zu einer kritischen Theorie der Demokratie. In: Kozlarek, O. (eds) Vielfalt und Einheit der Kritischen Theorie – Kulturwissenschaftliche Perspektiven. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31407-1_6
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