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„Heute kann ich nicht mehr behaupten, meine Eltern seien links gewesen“ – George Herbert Meads Zeit-Begriff und die biografietheoretische Analyse

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Frontiers in Time Research – Einführung in die interdisziplinäre Zeitforschung
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Abstract

George Herbert Mead’s concept of time is based on past experiences and events, the present situation and future expectations in social interaction. This relationship between past, present and future is discussed by using biographical-narrative interviews and is thus seen as a promising reference point for biographical research. For biographical theory, time is a structuring element in the sense of experienced and narrated life stories as well as a text structuring element of narration. Four interviews will be analyzed with regard to the relationship between past, present and future.

Zusammenfassung

George Herbert Meads Zeitbegriff ist ein in der Interaktion zum Tragen kommendes Verhältnis aus vergangenen Erlebnissen und Ereignissen, der gegenwärtigen Situation und Zukunftsvorstellungen und -erwartungen. Dieses Verhältnis wird anhand biografisch-narrativer Interviews diskutiert und damit als vielversprechender Anknüpfungspunkt für die Biografieforschung angenommen. Denn für die Biografie ist Zeit ein strukturierendes Element im Sinne erlebter und erzählter Geschichte wie auch als Textstrukturierendes Element der Erzählung. Vier Interviews werden hierfür beispielhaft analysiert im Hinblick auf das Verhältnis aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

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Notes

  1. 1.

    Der komplexe gestalttheoretische Zugang Rosenthals kann hier nur angedeutet werden.

  2. 2.

    Carlson et al. (2017) greifen die Debatte um die Bedeutung der Textsorten auf und zeigen, welche Bedeutung gerade auch Argumentationen bzw. Beschreibungen und Bewertungen für die Analyse narrativer Interviews haben.

  3. 3.

    Signifikante Symbole lösen die gleiche Reaktion bei allen aus, haben aber bereits „einen langen Weg“ hinter sich (Mead 1968, S. 107), von einer ersten Situation, einem ersten Ausruf bis zu einem allgemein anerkannten signifikanten Symbol. Sprache entsteht demnach in einem gesellschaftlichen Kontext (ebd. 109), die sich in der Rollenübernahme und in der jeweiligen Interpretation zeigt. Mead spricht dem Menschen dabei eine reflektierende Intelligenz zu, die ihn befähigt, als Teil eines gesellschaftlichen Prozesses zu denken und zu handeln (ebd., S. 184).

  4. 4.

    Mead selbst spricht nur von I und Me. Der Zusatz „reflektierend“ und „impulsiv“ ist von Abels vorgeschlagen worden und wird hier aufgenommen (Abels 2007).

  5. 5.

    Alle Veröffentlichung erschienen posthum und bestehen zum größten Teil aus Texten und Vorlesungen.

  6. 6.

    Joas bezieht sich ausführlicher auf die philosophisch-naturwissenschaftliche Diskussion um den Zeitbegriff, den auch Mead reflektiert. Gerade die Frage, was denn die Gegenwart darstelle, spielt hierbei eine zentrale Rolle (Joas 1989, S. 170). Mead spricht von einer Dauer – duration. Die Gegenwart ist als Zeitfenster ein permanenter Zustand, denn „durations are a continual sliding of presents into each other“ (Mead 1932, S. 28).

  7. 7.

    Der Begriff Siedlung ist politisch belegt, besonders wenn von Siedlungen in den besetzten Gebieten, wie dem Westjordanland oder den Golan Höhen gesprochen wird. In Rivkas Fall handelt es sich um eine neu gegründete Ortschaft innerhalb der Grenzen Israels. Inwiefern auch diese Ortschaften politische Zwecke umsetzen und staatlich subventioniert wurden, soll an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden.

  8. 8.

    Das Thema der Gedenkkultur über den Holocaust bzw. die Shoah in Israel wurde vielfältig untersucht. Tom Segev (1995) hat mit seinem Buch „Die siebte Million“ historisch die Entwicklung der Holocaust-Erinnerung in Israel nachvollzogen, die nach wie vor einen sehr guten Überblick bietet.

  9. 9.

    Jugendaliyah bedeutet die Einwanderung nach Palästina von jüdischen Jugendlichen, die durch zionistische Organisationen in Europa betreut wurden.

  10. 10.

    Kibbuzim (Plural) sind die Manifestation der Idee des gemeinschaftlichen Zusammenlebens vor dem Hintergrund zionistisch-sozialistischer Ideale (Lindenau 2007, S. 269 ff.). Die unterschiedlichen politischen Strömungen, die hinter der Gründung der Wohnsiedlungen standen, hatten organisierte Jugendgruppen.

  11. 11.

    In vielen der von mir geführten Interviews in Israel finden sich erklärende Einschübe, die dem interkulturellen Kontext der Interviewsituation geschuldet sind.

  12. 12.

    Der Ausdruck „Aschkenasisch“ lässt sich nur noch schwer richtig fassen. In diesem Fall ist es wichtig zu wissen, dass er in Israel vielmehr ein gesellschaftliches Verhältnis ausdrückt und es mehr um die Sichtbarkeit in der Gesellschaft geht. Aschkenasim kommen z.T. ursprünglich aus Ost- und Westeuropa. Roni möchte hier deutlich machen, dass in ihrem Viertel viele als weiß bezeichnete Menschen lebten, womit auch in Israel häufig eine gesellschaftliche Stellung, ein bestimmtes Milieu einhergeht.

  13. 13.

    In der Arbeit „Agency und Belonging in polarisierten Gesellschaften“ konnte dargestellt werden, inwiefern man im Falle Israels von einer gespaltenen oder polarisierten Gesellschaft aufgrund gesellschaftlicher Konfliktfelder sprechen kann (Kahle 2017, S. 64 ff.)

  14. 14.

    Brose et al. (1993) verweisen demgegenüber in ihrer Studie zum Erleben von Zeitarbeit und die Gestaltung von Arbeitszeit und Lebenszeit auf eine „reduzierte“ Zeitperspektive, wenn beispielsweise Hoffnungslosigkeit in Bezug auf Zukunftserwartungen rekonstruiert wird. Als Beispiel wird Arbeitslosigkeit angeführt (S. 160f.)

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Kahle, L. (2020). „Heute kann ich nicht mehr behaupten, meine Eltern seien links gewesen“ – George Herbert Meads Zeit-Begriff und die biografietheoretische Analyse. In: Schilling, E., O'Neill, M. (eds) Frontiers in Time Research – Einführung in die interdisziplinäre Zeitforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-31252-7_3

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