Zusammenfassung
Der aktuelle Klimawandel verweist notwendig auf seine humane Determinante. So verweist er auf eine neue ökologische Wirklichkeit, die zugleich als technologisch initiiertes Widerfahrnis erscheint. Das Dilemma besteht darin, dass der Klimawandel als Phänomen und fortschreitender Prozess, Resultat einer enorm starken, in ihren Wirkungen langfristig angelegten, techno-humanen Aktivität ist. Zugleich erweist er sich aufgrund seiner fehlenden Distanzierung gegenüber den Grundlagen humaner Lebenswelten und einer daraus hervorgehenden, des-integrierten Angst als Produzent gesellschaftlicher und politischer Lähmung. Die immer wieder faktisch scheiternde politische Adressierung des Klimawandels dürfte damit zu tun haben, dass die weitgehende Nicht-Erfahrbarkeit des Klimawandels dem visuell-sinnlich ausgerichteten Sozialwesen Mensch massiv im Wege steht. Insofern erweisen sich die mit dem Klimawandel verbundenen Angstzustände in der Gesellschaft als nicht hinreichend gerichtet und abstrakt – vor allem in jenen Gesellschaften, die global Hegemonie beanspruchen und durchsetzen. Letztlich lässt sich der Klimawandel analog zum mythologischen „Absolutismus der Wirklichkeit“ (Blumenberg) verstehen, indem er eine absolute Differenz zur Humangesellschaft setzt, die er mit einer massiven Bedrohungslage überzieht. Im Unterschied dazu stellt der Klimawandel aber selbst ein Ergebnis der Defizitstrukturen technologischen menschlichen Handelns dar, was Reaktionen darauf erschwert.
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Ahrens, J. (2020). Klima der Angst. Klimawandelszenarien. In: Martin, S., Linpinsel, T. (eds) Angst in Kultur und Politik der Gegenwart. Kulturelle Figurationen: Artefakte, Praktiken, Fiktionen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30431-7_5
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