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Das Veralten des Liberalismus der Furcht

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Angst in Kultur und Politik der Gegenwart

Zusammenfassung

Die von Judith N. Shklar geprägte politische Idee des Liberalismus der Furcht erfährt im Kontext des um sich greifenden Rechtspopulismus und der Diskussion über „illiberale Demokratien“ eine Renaissance. Der Beitrag prüft, ob sie eine überzeugende Antwort auf die Krise liberaler Demokratien darstellt. In einem ersten Schritt wird zunächst das Ausgangsproblem erläutert, auf das der Liberalismus der Furcht reagiert (I). Nach seiner ideengeschichtlichen Verortung im politischen Denken von Thomas Hobbes (II), rekonstruiert der Beitrag in Auseinandersetzung mit Judith N. Shklar und Jan-Werner Müller die Grundzüge des Liberalismus der Furcht (III). Er schließt mit der These, dass der Liberalismus der Furcht eine normativ attraktiv erscheinende, tatsächlich aber politisch rückwärtsgewandte Idee ist, die sich im Kontext von politischer Kognitionsasymmetrie, Postdemokratie und rechtspopulistischem Illiberalismus als veraltet und wirklichkeitsfern erweist (IV).

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Notes

  1. 1.

    Müller (2019, S. 93 ff.) unterscheidet zwischen unpolitischer abstrakter Angst und konkreter, politisch bearbeitbarer Furcht und sieht die Verwandlung von Angst in Furcht als eine zentrale Aufgabe der Politik in liberalen Demokratien an. Die Unterscheidung zwischen (abstrakter) Angst und (konkreter) Furcht ist im Deutschen spätestens seit Heidegger geläufig. Sie wird alltagssprachlich dadurch kompliziert, dass sich im Deutschen von „Furcht“ kein Plural bilden lässt, wenn man über unterschiedliche Fälle oder Arten von Furcht sprechen will. Die Rede ist dann zumeist von „Ängsten“.

  2. 2.

    Bülte (2018) zeigt, dass Shklar universalistisch gemeinte Begründungsbemühungen skeptisch beurteilte und keine universalistische Fundierung einer liberalen Ordnung anstrebte. In meinen Augen spricht dennoch nichts dagegen, ihren Liberalismus der Furcht als ein Rechtfertigungsnarrativ für die liberale Demokratie zu betrachten. Im Gegensatz zu Bülte bezweifle ich, dass es Anknüpfungspunkte für eine zeitgemäße Herrschaftskritik anbietet.

  3. 3.

    Eine weitere Eigenheit des Rechtsstaats, die sowohl von Müller als auch von Shklar nicht hinreichend beachtet wird, ist dessen „scheinbare Unparteilichkeit“; infolge der nur formalen Rechtsgleichheit verschleiert der Rechtsstaat die Asymmetrie der Machtverhältnisse und die Dominanz von ressourcenstarken Gruppen und Personen (Scheuerman 2019, S. 104 f.). Müller meint, dieses Problem könne durch die Demokratisierung des liberalen Rechtsstaats behoben werden. Im folgenden Abschnitt werde ich argumentieren, dass die Empirie gegen diese optimistische Sicht auf die liberale Demokratie spricht. Eine weitergehende, hier nicht zu behandelnde Frage ist, ob das Problem einer Dialektik geschuldet ist, die den liberalen Institutionen selbst innewohnt (so Michéa 2014) oder historisch-kontingente Gründe hat (so Rorty 1992).

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Selk, V. (2020). Das Veralten des Liberalismus der Furcht. In: Martin, S., Linpinsel, T. (eds) Angst in Kultur und Politik der Gegenwart. Kulturelle Figurationen: Artefakte, Praktiken, Fiktionen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-30431-7_3

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