Zusammenfassung
In dem Artikel werden zwei Varianten vorgestellt, wie sich Mensch-Maschine-Beziehungen theoretisch fassen lassen und was das für ein Nachdenken über „warme“ und „kalte“ Beziehungen bedeutet. In der ersten Variante werden Mensch und Maschine als ontologisch different vorgestellt, in der zweiten Variante werden Mensch und Maschine als gleich, weil gegenseitig affizierbar gedacht. Als neuralgischer Punkt wird sich in beiden Ansätzen die Frage nach der Geschlossenheit oder Offenheit der jeweiligen Konstellationen erweisen. Zielt die Beziehung zu der Maschine auf eine Bestätigung des menschlichen Selbst und kommt es damit über den Ausschluss des anderen als anderem zu einer Figur der Kälte? Oder gibt es einen Riss im Begehren, der das Gefüge erschüttert und damit „warm“ macht? Ausgehend von Überlegungen zum Zusammenhang von Angst und Begehren wird abschließend die These zur Diskussion gestellt, dass robotische Begehrensbeziehungen nicht möglich sind, weil das technische Gegenüber nicht „nackt“ im metaphysischen Sinne ist.
Ohne Nacktheit keine Angst. Ohne Angst kein Begehren.
(Sophie Wennerscheid)
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Notes
- 1.
Lethen untersucht in seinen Verhaltenslehren der Kälte die Zeit nach dem 1. Weltkrieg, die er als eine Zeit der sozialen Desorganisation und Krisenerfahrung beschreibt, auf die die Bewegung der Neuen Sachlichkeit mit einem avantgardistischen Habitus der Kälte geantwortet habe. Die Entwicklung der distanzbewussten und deshalb gefühlt unverletzbaren „kalten persona“ und des Schuld und Scham abweisenden, nach außen orientierten und konsumfreudigen „Radar-Typs“ werden von Lethen als Ausdruck einer Bewältigungsstrategie gelesen, „mit denen sich die Zeitgenossen angstfrei in den Prozeß der Modernisierung einmischen wollen“ (Lethen 2018, S. 11).
- 2.
„Angst er nemlig en Attraae efter hvad man frygter, en sympathetisk Antipathie; Angst er en fremmed Magt der griber Individet, og dog kan man ikke løsrive sig derfra, og vil det ikke, thi man frygter, men hvad man frygter det attraaer man.“ Übersetzung aus dem Dänischen von der Autorin. Für eine ausführliche Darstellung der Dialektik des Begehrens bei Kierkegaard vgl. Wennerscheid (2008).
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Wennerscheid, S. (2020). Warme und kalte Beziehungen im Netzwerk des Begehrens. In: Bendel, O. (eds) Maschinenliebe. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-29864-7_2
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