Zusammenfassung
Bekanntermaßen verwalten und regieren Bürgermeister, Koalitionen und Parteien in den deutschen Städten, Kreisen und Gemeinden nicht alleine. Mit dem Begriff der lokalen Governance werden die unterschiedlichen Formen der Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung auf der einen und Zivilgesellschaft und Wirtschaft auf der anderen Seite beschrieben. In Auseinandersetzung mit und Fortführung von Typologien, die für den internationalen Vergleich der Beziehungen zwischen Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft auf der lokalen Ebene eingeführt worden sind, wird in dem Artikel ein policy-spezifischer Zugang vorgeschlagen und ein analytisches Konzept präsentiert. Exemplifizierend werden verschiedene institutionalisierte lokale Staat-Gesellschaft-Beziehungen in deutschen Städten, Kreise und Gemeinden in der lokalen Arbeitsmarkt-, Jugend-, Integrations- und Wirtschaftspolitik diskutiert. Dieser Überblick zeigt die policy-spezifischen Varianten der dauerhaften Interaktion zwischen Politik und Verwaltung einerseits und Zivilgesellschaft und Wirtschaft auf der anderen Seite.
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Notes
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Aus sprachlichen Gründen vereinfachen wir. Gemeint sind die Beziehungen zwischen kommunalen Gebietskörperschaften, Zivilgesellschaft und Wirtschaft (Najam 1996).
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Das war im geschichtlichen Rückblick für die deutsche (aber auch US-amerikanische) lokale Politikforschung lediglich bedingt eine innovative Einsicht, da es zu den Gründungsbedingungen des Forschungszweigs gehört, sich an einem ‚breiten‘, über den engen Rahmen der Kommunalpolitik hinausgehendem Verständnis lokaler Politik zu orientieren (Heinelt und Mayer 2001; Heinelt 2004).
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So differenzierte Pierre zwischen vier charakteristischen Typen, nämlich i) einer wettbewerblichen und managerialistischen Art lokalen Regierens mit Orientierung an Effizienz und sozial exkludierenden Praktiken, ii) einem städtischen Korporatismus mit Orientierung an sozialer Integration und gerechtigkeitsorientierter Verteilung, iii) einem wachstumsorientierten, streng materialistisch ausgerichteten Modell mit engen Netzwerken zwischen Unternehmen und Staat sowie iv) schließlich einem bürokratisch-hierarchischen wohlfahrtsstaatlichen Modell (Pierre 1999, S. 377–389).
- 4.
Der vorliegende Beitrag ist aus einem Projektzusammenhang zu „local state-society relations“ hervorgegangen, in dem Teams aus 18 europäischen Ländern zusammenarbeiten (siehe https://eura.org/eura-working-group-on-local-state-society-relation-in-europe/). In einem ersten Schritt wird daraus ein Buch zu „local state-society relations“ entstehen, in dem Beziehungen zwischen kommunaler Politik und gesellschaftlichen Akteuren in den einbezogenen Ländern dargestellt werden (Teles et al. 2020). In einem zweiten Schritt sind schriftliche Befragungen der in diese Beziehungen involvierten Akteure geplant.
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Wir beziehen uns hier auf Überlegungen von Teles (2020).
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Die drei Dimensionen lassen sich ihrerseits differenzieren und operationalisieren (Egner et al. 2020b). Aus Platzgründen kann dies hier nicht dargestellt werden.
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In einer anderen Publikation (Egner et al. 2020a) gehen wir zudem auf ein anderes Beispiel aus dem Bereich der Arbeitsmarktpolitik ein – nämlich den Beiräten der „Optionskommunen“ und Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und einzelnen lokalen Agenturen für Arbeit ein, die für Leistungen an Empfängern von Arbeitslosengeld II zuständig sind.
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Diese Ausschüsse firmieren in den einzelnen Bundesländern unter verschiedenen Namen, nämlich als Ausländerbeirat, Ausländerrat, Integrationsbeirat oder Integrationsrat.
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Naturalisierte Deutsche können gewählt werden, aber nicht wählen.
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Sack, D., Heinelt, H., Egner, B. (2020). Institutionalisierte Beziehungen zwischen lokalem Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft – Politikfeldspezifische Unterschiede. In: Egner, B., Sack, D. (eds) Neue Koalitionen – alte Probleme. Stadtforschung aktuell. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28452-7_5
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