Zusammenfassung
Der Zuzug von Flüchtlingen hat von allen europäischen Ländern vor allem auch Deutschland und deutsche Städte betroffen. Dies stellte die Städte und Kommunen vor große Herausforderungen. Innerhalb kurzer Zeit wurden die Aufgaben der städtischen Verwaltungen neu strukturiert und eine engere Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen initiiert. Neue Institutionen wurden geschaffen und nicht staatliche Organisationen, die Flüchtlinge betreuen, mussten in ihren Bemühungen koordiniert werden. Wir möchten zur Literatur beitragen, indem wir die besondere Stellung von Flüchtlingen gegenüber regulären Migrant_innen theoretisch aufarbeiten und empirisch am Beispiel Hamburgs belegen. Hierzu werden wir zunächst integrationstheoretische Unterschiede diskutieren, bevor wir Daten über den Prozess der Integration entlang der Dimensionen Unterkunft, kognitive Fähigkeiten (Sprache, Schulen), Arbeitsmarkt und soziale Kontakte präsentieren. Um die Integration von Flüchtlingen zu erfassen, schlagen wir vor, den Theorien der Integration von Migrant_innen eine Phase hinzuzufügen, die als „betreute Integration“ bezeichnet werden kann.
Prof. em. Dr. Jürgen Friedrichs ist leider noch vor Erscheinen dieses Sammelbandes überraschend verstorben.
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Notes
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Bereits in den Jahren von 1981 bis 1999 hatte Deutschland den größten Anteil an Asylbewerbern aller EU-15-Länder aufgenommen: 53 % in den Jahren 1980 bis 1983 und 57 % in den Jahren 1995 bis 1999 (Hatton 2004, S. 14).
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Initiiert und geleitet wurden die Kölner Flüchtlings-Studien durch Professor Jürgen Friedrichs, der sehr unerwartet im Februar 2019 verstorben ist.
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Im Folgenden mit „Drs“ abgekürzt.
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Brubaker (2001, S. 534) hat argumentiert, dass die Assimilationstheorie eine „differentialistische Wendung“ erlebt hat, indem sie nicht mehr nach Identität, sondern nach Ähnlichkeit strebt, wobei Assimilation eine „Richtung der Veränderung“ ist. Vergleicht man die Politik Frankreichs, Deutschlands und der Vereinigten Staaten, so zeigt sich, dass sich Deutschland am stärksten einer differenzierten Sichtweise von Assimilation oder Integration zugewandt hat.
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Diese Dimension wurde in der Analyse unserer Flüchtlingsbefragung berücksichtigt (Friedrichs et al. 2019).
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Während des Höhepunkts der Ankunft schutzbedürftiger Menschen verzögerte sich die Bearbeitung der Asylanträge. 60 % derjenigen, die über Hamburg verteilt waren, konnten Asyl beantragen, von denen wurden wiederum 70 % innerhalb dieses Jahres bearbeitet. Der Unterschied zwischen ankommenden Personen und der Anzahl der Anmeldungen wird oft als „EASY-Gap“ bezeichnet. EASY (Erstverteilung der Asylsuchenden) ist eine IT-Anwendung des BAMF für die Erstzuordnung der Bewerber_innen.
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In anderen Städten, wie Mülheim an der Ruhr, ziehen es Schulen vor, Flüchtlingskinder von Anfang an in den regulären Unterricht zu integrieren, weil sie der Meinung sind, somit die Integration und den Spracherwerb besser zu unterstützen.
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Friedrichs, J., Leßke, F., Schwarzenberg, V., Singfield, K.E. (2020). „Betreute Integration“ – Zur integrationstheoretischen Unterscheidung von Flüchtlingen und regulären Migrant_innen am Beispiel Hamburgs. In: Jepkens, K., Scholten, L., van Rießen, A. (eds) Integration im Sozialraum. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28202-8_8
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