Zusammenfassung
Wolfgang Klafki (1927–2016) war Erziehungswissenschaftler und Bildungsberater. Im Feld der Schulpädagogik und Unterrichtsdidaktik kann er – zumindest auf Grundlage seiner Bekanntheit – durchaus als Klassiker gelten. In seinem Werk „Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik“ stellt er eine bildungstheoretisch fundierte Didaktik vor. Kern seiner Ausführungen ist das Konzept der Allgemeinbildung, das vom Erwerb bestimmter Grundfähigkeiten (Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit) anhand der Auseinandersetzung mit sog. epochaltypischen Schlüsselproblemen ausgeht. In diesem Beitrag werden ausgewählte Aspekte von Klafkis Überlegungen dargestellt, kritisch geprüft, aktualisiert und auf den Hochschulkontext bezogen.
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Notes
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Klafki weist hier darauf hin, dass der Fokus auf „intentionale Lehre” durch Erkenntnisse aus der Sozialisations- und Institutionsforschung ergänzt werden muss, damit sowohl die Lebenswelt der Lernenden als auch die Organisationen, in denen Lehre stattfindet, als Rahmenbedingungen gefasst werden können (Klafki 2007).
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Der Begriff der Allgemeinbildung kann als Erweiterung seines Konzepts der kategorialen Bildung gelten, auf das ich in Abschn. 4 näher eingehen werde.
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Auch wenn sich „heute“ auf die Mitte der 1980er Jahre bezieht, ist diese Aussage m. E. nach wie vor aktuell – oder sogar aktueller denn je.
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Beispiele für Schlüsselprobleme nach Klafki sind: die Friedensfrage, die Umweltfrage oder die gesellschaftlich produzierte Ungleichheit. In den Zielen für nachhaltige Entwicklung finden sich diese wieder:
Ziel 16: Frieden, Recht und starke Institutionen
Ziel 13: Klimaschutz und Anpassung
Ziel 10: weniger Ungleichheiten.
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Kompetenz (Pädagogik), https://de.wikipedia.org/wiki/Kompetenz_(Pädagogik).
- 6.
In der Zeitschrift der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hessen betont der Kompetenztheoretiker Lersch allerdings, dass Klafki in dessen Kompetenzkonzept explizit eine ihm „verwandte Position“ sah (Lersch 2013).
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Der Zusammenhang der kategorialen Bildung zum Konzept der Allgemeinbildung liegt u. a. darin, dass die Grundfähigkeiten (Selbstbestimmungs-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit) die formale und die epochaltypischen Schlüsselprobleme die materiale Seite der Bildung darstellen.
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Wissenschaftsorientierung versteht Klafki als breiteren Begriff im Vergleich zu „Wissenschaftspropädeutik“, die er darunter subsumiert. Wissenschaftspropädeutik meint die direktere und anspruchsvollere Vorbereitung auf Wissenschaft, v. a. in der gymnasialen Oberstufe (Klafki 2007, S. 165).
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Ich lehne mich hier an die Dreiteilung nach Huber (2014) und in ähnlicher Form bei Reinmann (2016) an, in der forschungsnahes Lehren und Lernen als Überbegriff über drei Ausprägungen gilt: forschungsbasiertes Lernen (Studierende machen sich über Forschung kundig), forschungsorientiertes Lernen (Studierende bereiten sich auf Forschung vor) und forschendes Lernen i. e. S. (Studierende finden selbst etwas heraus).
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Empirisch weisen Keiding und Qvortrup (2017) in einer Analyse von Fachartikeln nach, dass die Forschung zum Lehren und Lernen an der Hochschule von einem einseitigen Schwerpunkt auf den Lehrmethoden geprägt ist, während Ziele, Inhalte und Prüfungsformate, aber auch dahinterliegende Werte und Normen weniger häufig untersucht werden.
- 11.
Einen Überblick gibt die Website des UNESCO-Weltaktionsprogramms „Bildung für nachhaltige Entwicklung“: www.bne-portal.de/de/akteure/karte.
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Heudorfer, A. (2020). Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik an der Hochschule? Wolfgang Klafkis Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. In: Tremp, P., Eugster, B. (eds) Klassiker der Hochschuldidaktik?. Doing Higher Education. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-28124-3_11
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