Zusammenfassung
Dieser Beitrag analysiert die sozio-ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen der Entstehung einer Konfiguration, die als Community-Kapitalismus bezeichnet wird. Aufgrund des sozialstaatlichen und demografischen Wandels bei gleichzeitiger Re-Strukturierung der Geschlechter- und Familienverhältnisse entsteht eine Krise der sozialen Reproduktion, zu deren Lösung verstärkt auf nicht entlohnte freiwillige Arbeit (z.B. in Gestalt von Ehrenämtern, Nachbarschaftshilfe, Community Organizing) zurückgegriffen wird. Zu beobachten ist eine Verzivilgesellschaftlichung der sozialen Frage jenseits von Markt, Staat und Familie, die durch einen doppelten Gemeinsinn- und Community-Boom forciert wird: einerseits „von oben“ im Sinne einer staatlich induzierten Politik der Krisenbewältigung, andererseits „von unten“ als elementares Moment linker Bewegungen und Alternativökonomien. Der Beitrag beleuchtet nicht nur die Verzivilgesellschaftlichung der sozialen Frage kritisch, sondern nimmt auch die potenzielle Hegemoniefähigkeit des Community-Kapitalismus in den Blick.
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van Dyk, S. (2019). Community-Kapitalismus. In: Dörre, K., Rosa, H., Becker, K., Bose, S., Seyd, B. (eds) Große Transformation? Zur Zukunft moderner Gesellschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25947-1_15
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