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Proaktive Polizeiarbeit braucht Netzwerk- und Organisationsentwicklung- und Führungskräfte, die diese Prozesse initiieren

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Polizeiliche Gefahrenabwehr und Sicherheitsproduktion durch Netzwerkgestaltung

Zusammenfassung

Proaktive Polizeiarbeit, Prävention vor allem in der Form sozialräumlich und gemeindeorientierter Polizeiarbeit, ist in programmatischer Hinsicht eine zentrale Aufgabe von Polizeibehörden und Polizeidienststellen. In der Alltagsorganisation allerdings zeigt sich, dass diese Aufgabe keinen zentralen Stellenwert einnimmt. Es dominiert vielmehr die reaktive Polizeiarbeit. Im vorliegenden Beitrag wird gezeigt, dass bei aller organisations- und professionskulturellen Dominanz des reaktiven Polizeihandelns, eine proaktive Polizeiarbeit dennoch – sowohl auf der Arbeitsebene wie auch auf der strategischen Ebene einer Behörde bzw. Polizeipräsidiums – verankert werden kann. Die dazu notwendige Gestaltungsarbeit findet dann auf drei Ebenen statt: proaktive Polizeiarbeit ist in erster Linie Netzwerkmanagement vor Ort – in der Region oder Stadtteil; zum Zweiten bedarf das gemeindeorientierte Netzwerkmanagement der stabilen Verankerung in der Arbeitsorganisation einer Dienststelle – also einer ermöglichenden Organisationsentwicklung; zum Dritten muss die Organisationsentwicklung in den Dienststellen durch eine strategische Verankerung in der Ziel- und Strategieformulierung der vorgesetzten Behörden stabilisiert werden. Diese Form der konzeptionellen Ausgestaltung und zugleich strukturellen Verankerung proaktiver Polizeiarbeit wird im Folgenden am Fall einer Führungskraft aus dem Höheren Polizeivollzugsdienst geschildert.

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Notes

  1. 1.

    Zu erinnern ist an dieser Stelle an Philipp Selznick (1957) Leadership in Administration und Leadership of Public Bureaucracies: The Administrator as Conservator.

  2. 2.

    Die Anwendung von Regeln, Normen, Vorgaben usw. ist immer auch eine, zumindest situative, An-Wendung im Sinne von Anpassung und einer – wie auch immer geringfügigen – Regelbeugung und Regelabweichung (s. Ortmann 2002, S. 46–53; ders. 2012, S. 80 f.).

  3. 3.

    Mit Ronald Hitzler könnte man hier auch von dem „Mindset“ von UB sprechen, der subjektiven Geisteshaltungen „aus denen heraus definiert wird, was als,objektiv‘ gilt“ (Hitzler 2010, S. 336). Unter den Bedingungen der sich immer weiter individualisierenden modernen Gesellschaft weichen – so Hitzler – weichen „die existenziellen Anteile des schicksalhaft Auferlegten zurück vor dem individuellen Entscheid- und arbiträr Gestaltbaren“ (ebenda, S. 326). Das heißt: „Die individualisierten Subjekte werden weit weniger durch gesellschaftliche Umstände und Gegebenheiten geprägt, als dass sie sich aufgrund ihrer je eigenen Wichtigkeit bestimmten Umständen, Gegebenheiten und Vorfällen (…) in bestimmten Situationen besonders aufmerksam zuwenden, sie als besonders bedeutsam definieren und als mittels entsprechender Vorkehrungen und Maßnahmen erhaltenswert oder veränderungsbedürftig deklarieren“. (ebenda). In diesem Sinne ist der Mindset also die persönliche Sammlung von Grundüberzeugungen, Glaubenssätzen, Einstellungen und Prinzipien, die – anders als das vorbewusste praktische Bewusstsein á la Giddens – für den jeweiligen Akteur reflexiv verfügbar sind.

  4. 4.

    Die Abrüstung der Polizei wird auch beim proaktiven Handlungsmuster nicht von naiver Gutgläubigkeit bestimmt, sondern von einer klugen, deeskalierenden Taktik bei gleichzeitig vollem, repressivem Einsatzpotenzial. So wird bei Demonstrationen oder auch bei brisanten Fußballereignissen dem Publikum eine deutlich abgerüstete und geringe Personal- bzw. Einsatzstärke präsentiert. Zugleich aber wird kommuniziert: Wird dem deeskalierenden Polizeiangebot nicht durch entsprechende Friedfertigkeit seitens der Demonstranten oder der Fans Rechnung getragen, dann kommen die in der Etappe zurückgehaltenen repressiven Polizeikräfte zum Einsatz.

  5. 5.

    Bei UB zeigt sich diese aktive Wissensneugier und seine Anschlussfähigkeit an nicht-polizeiliche Sprachspiele u. a. in seinem vielfältigen Schrifttum.

  6. 6.

    Etwa um verstehen zu können, wie sich bei Demonstrationen Prozesse der forcierten Selbstdarstellung (z. B. durch martialische Ausrüstung) seitens der Polizei oder auch der Demonstranten in Eskalationsprozesse ausarten können.

  7. 7.

    Zur Schließung professionskultureller Domänen, zur latenten Selbstüberschätzung und Kommunikationsabstinenz von Professionen gegenüber „fremden“ Wissen und anderen Expertisen in interdisziplinärer Zusammenarbeit s. a. Artho (2002, S. 49 f.).

  8. 8.

    Üblicherweise spricht man auch von „Handlungskompetenz“ – im Sinne des Zusammenspiels von fachlicher, sozialer und Selbst- bzw. personaler Kompetenz bei der sachgerechten Lösung von Problemen und Aufgaben. Der Begriff des „Handlungsvermögens“ beschreibt m. E. diesen Sachverhalt anschaulicher, insofern hier von einem integrierten Vermögen im Sinne von Zwecksetzungsautonomie, Mittelwahlrationalität und Folgenverantwortlichkeit ausgegangen wird. (s. Hartmann, D./Janich, P. (Hrsg.): Methodischer Kulturalismus. Zwischen Naturalismus und Postmoderne. Suhrkamp, Frankfurt 1996, S. 70–114).

  9. 9.

    S.a. „Kontaktbereichsbeamte“, „Bürgerpolizisten“ usw.

  10. 10.

    Zu den typischen Defiziten in der Präventionsarbeit s. Frevel und Kober (2012, S. 337–358).

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Barthel, C. (2019). Proaktive Polizeiarbeit braucht Netzwerk- und Organisationsentwicklung- und Führungskräfte, die diese Prozesse initiieren. In: Barthel, C. (eds) Polizeiliche Gefahrenabwehr und Sicherheitsproduktion durch Netzwerkgestaltung. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23574-1_11

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