Zusammenfassung
Der Beitrag richtet sein das Interesse auf moralische Kollektive, die ‚gute‘ und ‚böse‘ Bilder als kommunikative Referenzen nehmen, um sich zu formieren. In den Fokus des sozialwissenschaftlichen Erkenntnisinteresses rücken damit jene kommunikativen Verständigungs- und Aushandlungsprozesse über gemeinsam akzeptierte oder zurückzuweisende Bildurteile und über intersubjektiv geteilte oder zu verurteilende Bildpraktiken, über die sich ein moralisches Kollektiv konstituiert. Insbesondere bei Bildern der Gewalt, die gesellschaftliche Verbreitung und Aufmerksamkeit finden und angesichts derer auch in den Sozialwissenschaften immer wieder moralische Stimmen laut werden, die nicht selten vorgeben, selbstevident und allgemeingültig zu sein, gilt es die für diese Haltungen konstitutiven Wahrnehmungs- und Deutungsbedingungen wissenssoziologisch in den Blick zu nehmen. Zu welchen konkreten Anlässen sich moralische Kollektive sozial konsolidieren und wann, wo, durch wen und vor allem wie sich moralische Kollektive in gesellschaftlichen Diskursen mit ihren Bildethiken positionieren, gehört zu den aktuellsten Fragen und dringendsten Aufgaben einer (Wissens-)Soziologie der Moral und wird ausgehend vom Fallbeispiel einer ‚Ikone‘ der sogenannten Flüchtlingskrise des Jahres 2015 exemplarisch untersucht.
Sich trotz allem ein Bild zu machen – das stellt uns vor die schwierige Aufgabe einer Ethik des Bildes.
Georges Didi-Hubermann: Bilder trotz allem, 2007: 65
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Notes
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Für eine frühe, heute klassisch anmutende Studie zur Sexualmoral siehe Schelsky (1955).
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„So gilt auch hier, was für alle autopoietischen Systeme zutrifft: Beobachten (operatives Unterscheiden) ist nur auf der Ebene der Elemente möglich, und dies nur so, dass der Beobachter über eine Beschreibung verfügt, die die Selbstreferenz der Elemente mitvollzieht und dadurch ihre Zugehörigkeit zum System in Differenz zur Umwelt erkennbar werden lässt. Auch Selbstbeobachtung ist an diese Voraussetzung gebunden“ (Luhmann 1984: 548).
- 3.
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Hermeneutische Verfahren der wissenssoziologischen Bildinterpretation wie die Konstellationsanalyse (Raab 2017, 2018) oder die Ästhetische Re|Konstruktionsanalyse (Hoggenmüller 2018) nutzen denn auch den durch den ‚reinen’ Blick auf die Form einer bildlichen Darstellung provozierten Bruch mit alltäglichen Sehweisen, die sich primär auf die Inhalte eines Bildes richten.
- 5.
Ebenso wie die Fotografien in Abb. 3, 4 und 5 wurde auch dieses Bild von verschiedenen Medien sehr unterschiedlich aufbereitet, d. h. vor allem zurechtgeschnitten. Die hier für diese Abbildungen verwendeten Varianten sind die zum Abrufungszeitpunkt (16.10.2015) unter der Eingabe „Aylan Kurdi“ häufigsten ‚Treffer‘ bei Google-Bildersuche. Die für Abb. 5 eingesetzte Variante entstammt der Print- und Online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 31.10.2015.
- 6.
Aus rechtlichen Gründen ist kein Abdruck des Plakatmotivs möglich. Zur eigenen Anschauung siehe: https://www.presseportal.de/pm/25171/3837544, letzter Aufruf am 04.10.2018.
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Raab, J. (2019). Gute Bilder – böse Bilder. Bildethiken moralischer Kollektive. In: Joller, S., Stanisavljevic, M. (eds) Moralische Kollektive. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22978-8_15
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