Zusammenfassung
Ausgangspunkt dieses Beitrages ist die These, dass wir in einer ökonomisierten Gesellschaft leben, die durch Zweckrationalisierung, Quantifizierung, individuelle Ressourcenoptimierung und Beschleunigung gekennzeichnet ist. In unserer ökonomisierten Gesellschaft werden Wirtschaft und Wirtschaften lebensweltlich und wissenschaftlich ambivalent wahrgenommen. Wie also soll vor einem solchen Hintergrund sozioökonomische Bildung konzipiert sein? Im Sinne einer reflexiven Wirtschaftspädagogik wird eine bildungswissenschaftlich fundierte Didaktik der ökonomischen Bildung vorgestellt, welche den in Kultur und Gesellschaft eingebetteten Menschen in den Mittelpunkt stellt. Institutionen, Strukturen, Macht und Kontingenzen sind Bedingungen, welche für wirtschaftliche Entscheidungen von besonderer Bedeutung sind. Die Crux der ökonomischen Bildung liegt in der Unterscheidung zwischen der lebensweltlichen Ökonomie und der wissenschaftlichen Ökonomik, denn in der Mainstream-Ökonomik wird von diesen Bedingungen abstrahiert und die wirtschaftliche Handlung als eine egoistisch zweckrationale verstanden. Wirtschaft und Wirtschaften können in der ökonomischen Bildung aber nicht ausschließlich aus dieser Perspektive betrachtet werden, sondern müssen um die soziale, politische und ethische Dimension erweitert werden, wenn sie einen bildungswissenschaftlich begründeten pädagogisch-didaktischen Anspruch stellen will. Eine einseitige ökonomische Rationalität, die nur auf Effizienz abstellt, greift zu kurz, denn eine formale zweckrationale Input-Output-Relation alleine stellt keinen pädagogisch zu vermittelnden Wert dar. Erst der verantwortliche und sinnvolle Einsatz von Mitteln zur Erreichung verantwortlicher und sinnvoller Ziele kann einer kritischen Reflexion standhalten. Mit dem Rad der sozioökonomischen Bildung wird gezeigt, wie die wirtschaftlichen Dimensionen von Ökonomie und Ökonomik mit der sozialen, politischen und ethischen Dimension sowie den Wirklichkeitsebenen von Effizienz, Verantwortung und Sinn kombiniert werden und dadurch jede ökonomische Bildung zu einer sozioökonomischen Bildung wird.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Similar content being viewed by others
Literatur
Beck, K. (2006). Relativismus und Rolle – Zur Grundlegung einer differentiellen Moralerziehung. In: P. Gonon, R. Nickolaus & F. Klauser (Hrsg.), Bedingungen beruflicher Moralentwicklung und beruflichen Lernens (S. 9-22). Wiesbaden: VS Verlag.
Becker, J, Grisold, A., Mikl-Horke, G., Pirker, R., Rauchenschwandtner, R., Schwank, O., Springler, E., & Stockhammer, E. (2009), Heterodoxe Ökonomie. Marburg: Metropolis.
Benner, D. (2012). Allgemeine Pädagogik. Eine systematisch-problemgeschichtliche Einführung in die Grundstruktur pädagogischen Denkens und Handelns. 7. Aufl. Weinheim und Basel: Beltz.
Bieri, P. (2003). Das Handwerk der Freiheit. Über die Entdeckung des eigenen Willens. Frankfurt a. M.: Fischer.
Bieri, P. (2005). Wie wäre es, gebildet zu sein? Festrede. Pädagogische Hochschule Bern. Web: http://www.hwr-berlin.de/fileadmin/downloads_internet/publikationen/Birie_Gebildet_sein.pdf. Zugegriffen: 18. Juli 2017.
Böckenförde, E.-W. (1967). Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation. In E. Forsthoff (Hrsg.), Säkularisation und Utopie. Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag (S. 75-95). Stuttgart: Kohlhammer.
Dubs, R. (1989). Vernetztes Denken im Wirtschaftsunterricht. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 1, 50-61.
Dubs, R. (2009). Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Bedeutung der wirtschaftlichen Bildung. In M. Stock (Hrsg.), Entrepreneurship. Europa als Bildungsraum. Europäischer Qualifikationsrahmen. Tagungsband zum 3. Österreichischen Wirtschaftspädagogik-Kongress (S. 9-18). Wien: Manz.
Feld, F. (1928). Grundfragen der Berufsschul- und Wirtschaftspädagogik. Versuch einer Systematik der berufspädagogischen Theorie. Langensalza: Beltz.
Gesang, B. (2003). Eine Verteidigung des Utilitarismus. Stuttgart: Reclam.
Goldschmidt, N. (2017). Wirtschaft in der Schule: Auf den Inhalt kommt es an. FAZ online v. 12. Juli 2017. Web: http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/campus/nilsgoldschmidt-15098659.html. Zugegriffen: 18. Juli 2017.
Graupe, S. (2017). Beeinflussung und Manipulation in der ökonomischen Bildung. Hintergründe und Beispiele. Düsseldorf: FGW – Forschungsinstitut für gesellschaftliche Weiterentwicklung e. V.
Gutenberg, E. (1957/2002). Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft. Akademische Festrede gehalten bei der Universitätsgründungsfeier am 22. Mai 1957, Krefeld. In K. Brockhoff (Hrsg.), Geschichte der Betriebswirtschaftslehre. Kommentierte Meilensteine und Originaltexte (S. 9-28). 2. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
Hasse, R., & Krücken, G. (2005). Neo-Institutionalismus. 2. Aufl. Bielefeld: Transcript.
Habermas, J. (1998). Die postnationale Konstellation. Politische Essays. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Habermas, J. (2009). Diskursethik. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Habermas, J. (2012). Nachmetaphysisches Denken II. Aufsätze und Repliken. Berlin: Suhrkamp.
Hahn, S., & Kliemt, H. (2017). Wirtschaft ohne Ethik? Eine ökonomisch-philosophische Analyse. Stuttgart: Reclam.
Helmke, A. (2014). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Selze-Velber: Friedrich-Verlag.
Henning, T. (2016). Kants Ethik. Eine Einführung. Stuttgart: Reclam.
Höffe, O. (2008). Lexikon der Ethik. 7. Aufl. München: Beck.
Homann, K. (2003). Grundlagen einer Ethik der Globalisierung. In B. Hentschel (Hrsg.), Zwischen Profit und Moral. Für eine menschliche Wirtschaft (S. 35-72). München: Hanser.
Homann, K. (2005). Wirtschaftsethik. Versuch einer Bilanz und Forschungsaufgaben. In: T. Beschorner und B. Hollstein (Hrsg.), Wirtschafts- und Unternehmensethik. Rückblick, Ausblick, Perspektiven (S. 197-211). München: Hampp.
Homann, K. (2012). Ethik der Marktwirtschaft. In H. May (Hrsg.), Lexikon der ökonomischen Bildung. 8. Aufl. (S. 216-218). München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag.
Homann, K., & Lütge, C. (2005). Einführung in die Wirtschaftsethik. 2. Aufl. Münster: LIT.
Homann, K., & Suchanek, A. (2005). Ökonomik. Eine Einführung. 2. Aufl. Tübingen: Mohr Siebeck.
Klafki, W. (1996). Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik. 5. Aufl. Weinheim und Basel: Beltz.
Köck, D., & Tafner, G. (2017) (Hrsg.). Demokratie-Bausteine. Das Planspiel in Praxis und Theorie. Schwalbach/Ts.: Wochenschau.
Kubon-Gilke, G., Held, M., & Sturn, R. (2007): Ökonomik des Vertrauens – Stellenwert von Vertrauen in der Ökonomik. In dies. (Hrsg.), Reputation und Vertrauen. Normative und institutionelle Grundfragen der Ökonomik (S. 7-33). Jahrbuch 4. Marburg: Metropolis Verlag.
Kunter, M., & Trautwein, U. (2013). Psychologie des Unterrichts. Paderborn: Schöningh/UTB.
Kutscha, G. (2009). Ökonomische Bildung zwischen einzel- und gesamtwirtschaftlicher Rationalität. Kompetenzentwicklung und Curriculumskonstruktion unter dem Anspruch des Bildungsprinzips. Universität Duisburg-Essen.
Luhmann, N. (1988). Die Wirtschaft der Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Meyer, J. W. (Hrsg.) (2005). Weltkultur. Wie die westlichen Prinzipien die Welt durchdringen. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Nell-Breuning, O. (1974). Kapitalismus – kritisch betrachtet. Zur Auseinandersetzung um das bessere ‚System‘. Freiburg, Basel, Wien: Herder.
Nell-Breuning, O. (1985). Gerechtigkeit und Freiheit. Grundzüge katholischer Soziallehre. 2. Aufl. München: Europa.
Netzwerk Plurale Ökonomik e. V. (2017). Exploring Economics. Web: https://www.exploring-economics.org/de/. Zugegriffen: 06. Juni 2017.
Neuhold, L. (2009). Momente der Krise und die katholische Soziallehre. Aufforderung zum Tieferblicken anlässlich des Erscheinens von „Caritas in veritate“. In K. Poier (Hrsg.), Wirtschaftskrise und Katholische Soziallehre. 30 Jahre Neugründung des Dr.-Karl-Kummer-Instituts in der Steiermark (S. 15-26). Graz: Verein für Sozial- und Wirtschaftspolitik.
Neuweg, G. H. (2003). Zwischen Standesamt und Scheidungsrichter: Die Wirtschaftspädagogik und der „homo oeconomicus“. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 3, 350-367.
Nida-Rümelin, J. (2001). Strukturelle Rationalität. Ein philosophischer Essay über praktische Vernunft. Stuttgart: Reclam.
Nida-Rümelin, J. (2011). Die Optimierungsfalle. Philosophie einer humanen Ökonomie. München: Irisiana.
Pierenkemper, T. (2012). Geschichte des modernen ökonomischen Denkens: Große Ökonomen und ihre Ideen. Göttingen: UTB.
Pöltner, G. (2006). Grundkurs Medizin-Ethik. 2. Aufl. Wien: Facultas.
Rae, S., & Wong, K. L. (2012) (Hrsg). Beyond Integrity. Grand Rapids, Michigan: Zondervan.
Rebmann, K., Tenfelde, W., & Schlömer, T. (2011). Berufs- und Wirtschaftspädagogik. Eine Einführung in Strukturbegriffe. 4. Aufl. Wiesbaden: Gabler.
Rosa, H. (2016). Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
Samuelson, P. A., & Nordhaus, W. D. (2001). Economics. 17. Aufl. Boston: McGraw-Hill.
Scott, W. R. (2001). Institutions and Organizations. 2. Aufl. Thousand Oaks: Sage.
Senge, K., & Hellmann, K.-U. (2006). Einleitung. In K. Senge, K.-U. Hellmann & W. R. Scott (Hrsg.), Einführung in den Neo-Institutionalismus (S. 7-31). Wiesbaden: VS Verlag.
Slepcevic-Zach, P., & Tafner, G. (2011). „Nicht für die Schule lernen wir…“ – aber kein System kann die Umwelt integrieren. Über offene Fragen, die sich aus der Komplexität der Kompetenzmessung ergeben. Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik 2, 174-189.
Smith, A. (2010). Theorie der ethischen Gefühle. Hamburg: Felix Meiner.
Spranger, E. (1965). Lebensformen. Geisteswissenschaftliche Psychologie und Ethik der Persönlichkeit. München: Siebenstern.
Tafner, G. (2013). Wirtschaftliche Erziehung und Ethik. In M. Stock, P. Slepcevic-Zach & G. Tafner (Hrsg), Wirtschaftspädagogik. Ein Lehrbuch. Graz: Uni Press.
Tafner, G. (2015a). Reflexive Wirtschaftspädagogik. Wirtschaftliche Erziehung im ökonomisierten Europa. Eine neoinstitutionelle Dekonstruktion des individuellen und kollektiven Selbstinteresses. Humboldt-Universität zu Berlin: Habilitationsschrift. Detmold: Eusl.
Tafner, G. (2015b). Der Pyrrhussieg der beruflichen Bildung. In M. Stock, P. Schlögl, K. Schmid & D. Moser (Hrsg.), Kompetent – wofür? Beiträge zur Berufsbildungsforschung (S. 54-70). Innsbruck, Wien, Bozen: Studien Verlag.
Tafner, G. (2016). Die Unterscheidung von Ökonomie und Ökonomik als die Crux der Ökonomischen Bildung. In H. Arndt (Hrsg.), Das Theorie-Praxis-Verhältnis in der ökonomischen Bildung. Tagungsband der Deutschen Gesellschaft für ökonomische Bildung (S. 30-42). Schwalbach/Ts.: Wochenschau,.
Tafner, G. (2017a). Wirtschaftserziehung in der Primarstufe – basale wirtschaftspädagogische Überlegungen. Erziehung und Unterricht 3-4, 183-193.
Tafner, G. (2017b). Reflexive Wirtschaftspädagogik – ein neues Selbstverständnis der Disziplin. In bwp@ Spezial 14: Homo oeconomicus oder Ehrbarer Kaufmann – Reflexionen zum Verhältnis der Wirtschaftspädagogik zu den Wirtschaftswissenschaften, hrsg. v. T. Tramm, T. Schlömmer & C. Thole, S. 1-28. Web: http://www.bwpat.de/spezial14/tafner_bwpat_spezial14.pdf. Zugegriffen: 27. Juli 2017.
Tetens, H. (2010). Philosophisches Argumentieren. Eine Einführung. 3. Aufl. München: C. H. Beck.
Treeck, van T., & Urban, J. (2016) (Hrsg.). Wirtschaft neu denken: Blinde Flecken in der Lehrbuchökonomie. Berlin: I-rights Media.
Ulrich, P. (2005). Sozialökonomische Bildung für mündige Wirtschaftsbürger. Ein programmatischer Entwurf für die gesellschaftliche Rekontextualisierung der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre. Universität St. Gallen: Institut für Wirtschaftsethik.
Ulrich, P. (2008). Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie. 4. Aufl. Bern: Haupt.
Vietta, S. (2012). Rationalität. Eine Weltgeschichte. Paderborn: Fink.
Weber, M. (1984). Soziologische Grundbegriffe. Tübingen: Mohr.
Wieland, J. (2007). Die Ethik der Governance. Marburg: Metropolis.
Wöhe, G. (1984). Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 15. Aufl. München: Vahlen.
Wöhe, G., & Döring, U. (2013). Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre. 25. Aufl. München: Vahlen.
Zabeck, J. (2004). Berufserziehung im Zeichen der Globalisierung und des Shareholder Value. Paderborn: Eusl.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2018 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this chapter
Cite this chapter
Tafner, G. (2018). Ökonomische Bildung ist sozioökonomische Bildung. In: Engartner, T., Fridrich, C., Graupe, S., Hedtke, R., Tafner, G. (eds) Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft. Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21218-6_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-21218-6_5
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-21217-9
Online ISBN: 978-3-658-21218-6
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)