Zusammenfassung
In vielen praktischen, professionellen und politischen Feldern ist Resilienz zu einer kaum hinterfragten normativen Orientierung avanciert. Um den Resilienzdiskurs in ethischer Perspektive zu erschließen und zu bereichern, gehen wir in drei Schritten vor. Zunächst nehmen wir die Wahrnehmung eines Nachholbedarfs an gesellschaftstheoretischer Reflexion des Resilienzbegriffs zum Anlass, um einen zentralen Fokus von Resilienz, die Funktionserhaltung, mit den Begriffen Schutz und Nachhaltigkeit sozial- und umweltethisch zu reflektieren. Darauf aufbauend schlagen wir vor, den bekannten deskriptiven Resilienzdimensionen Persistenz, Adaptation und Transformation die normativen Leitbilder Selbsterhaltung, Kontrolle und Lernen gegenüberzustellen. Unsere Überlegungen knüpfen an empirische Erkenntnisse und lebensweltliche Erfahrungen an und rekonstruieren auf diesem Weg die Relevanz des Resilienzbegriffs für ethisch-politische Diskurse. Eine wichtige Scharnierfunktion nehmen unsere Überlegungen zur Response-Fähigkeit als zentralem Merkmal von Resilienz ein.
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