Zusammenfassung
In Deutschland hat die Prävalenz von zivilgesellschaftlichem Engagement im Berichtszeitraum 2002 bis 2012 deutlich zugenommen. Das gilt im Prinzip für alle Aspekte von zivilgesellschaftlichem Engagement: für Volunteering, konventionelles politisches Engagement und auch für Engagement als Protestverhalten. Deutliche Unterschiede zwischen westdeutschen und ostdeutschen Bundesländern sind nicht beobachtbar. In Europa insgesamt hat sich die Prävalenz von zivilgesellschaftlichem Engagement nur wenig verändert. Zwischen den Ländern gibt es jedoch erhebliche Unterschiede. Es lässt sich eine Gruppe von Ländern mit hohem Mobilisierungsgrad unterscheiden – vor allem Schweden, Norwegen und Finnland. Der Gegenpol sind Länder mit niedrigen durchschnittlichen Kennwerten für zivilgesellschaftliches Engagement: vor allem Ungarn, Polen, Portugal und Slowenien. Dann gibt es eine relativ große Gruppe von Ländern, zu denen auch Deutschland gehört, die im Mittelfeld liegen.
Für Deutschland sind die wichtigsten Prädiktoren für zivilgesellschaftliches Engagement das politische Interesse, der soziale Status und Werteorientierungen. Die Aggregation des zivilgesellschaftlichen Engagements von Personen für Länder zeigt, dass die kumulierten Werte über lange Zeiträume in hohem Maße konstant sind. Die Durchschnittswerte für Länder lassen sich deshalb als Indikatoren für eine relativ dauerhafte Struktur „Sozialkapital“ betrachten. Die beträchtlichen Unterschiede zwischen den Ländern lassen sich durch Indikatoren erklären, die unter verschiedenen Gesichtspunkten beschreiben, ob und in welchem Ausmaß die Merkmale einer Zivilgesellschaft, die als „gelungene Gesellschaft“ beschrieben werden kann, gegeben sind: Effektivität des staatlichen Gewaltmonopols, Rechtsstaatlichkeit, Gerechtigkeit als sozialer Ausgleich, Offenheit und Partizipationschancen. Die schwache Ausprägung von Merkmalen einer Zivilgesellschaft lässt nur in geringem Maße zivilgesellschaftliches Engagement entstehen und es kommt nur in geringem Umfang zur Bildung von „Sozialkapital“.
In der Analyse wurde erstmalig der systematische und durch Daten gestützte Versuch unternommen, das zivilgesellschaftliche Handeln von Menschen in einen strukturellen Kontext einzuordnen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass in den Gesellschaften, die man am ehesten als gelungen beschreiben könnte, ein sich selbst verstärkender Prozess stattfindet: Der Kontext, die Strukturen, sind förderlich für zivilgesellschaftliches Engagement und dieses Engagement wiederum reproduziert die dafür günstigen Strukturen. Aber dieser Prozess wirkt auch in die Gegenrichtung: Das Fehlen fördernder Strukturen lähmt zivilgesellschaftliches Handeln und dessen Fehlen wiederum trägt dazu bei, dass fördernde Strukturen nicht entstehen können oder abgeschwächt werden.
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Blinkert, B., Klie, T. (2018). Zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland und Europa. In: Klie, T., Klie, A. (eds) Engagement und Zivilgesellschaft. Bürgergesellschaft und Demokratie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-18474-2_7
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