Zusammenfassung
Öffentliche Infrastruktur – definiert als diejenigen Einrichtungen, deren Dienste von fast allen Wirtschaftsbereichen in Anspruch genommen werden und damit eine zentrale Voraussetzung für die wirtschaftliche Aktivität eines Landes bilden – kann als gesamtwirtschaftlich notwendiger Aufgabenbereich des Staates angesehen werden. Hochwertige und gut ausgebaute Infrastrukturen schaffen eine, wenn nicht die Voraussetzung für die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit eines Industriestandortes und bilden die Grundlage für Wohlstand und sozialen Frieden. Ohne eine infrastrukturelle Grundausstattung kann eine soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische Gemeinschaft weder entstehen noch fortbestehen.
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Notes
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Gegenstand lebhafter Debatten ist die Frage, ob Austerität im Bereich Infrastruktur überhaupt sinnvoll ist. Selbst Austeritätsbefürworter wie Rogoff und Reinhart (2013, S. 15) sind hier skeptisch.
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Nach Berechnungen von Heintz et al. (2009) führen Investitionen in die Infrastruktur (Straßen, netzgebundene Einrichtungen) in Höhe von einer Mrd. US-Dollar zu 18.000 neuen Jobs. Von weit höheren Multiplikatoreneffekten geht etwa die U.S. Highway Administration aus. Demnach entstehen bis zu 27.840 neue Jobs, wenn der Staat eine Mrd. US-Dollar in die Straßeninfrastruktur investiert. Entsprechende Effekte werden von der allgemeinen wirtschaftlichen Situation beeinflusst. In Rezessionen dürften – wie empirische Untersuchungen von Ramey (2011) oder Parker (2011) nahelegen – die Multiplikatoreneffekte von Infrastrukturinvestitionen auf das BSP-Wachstum höher ausfallen als in Boomzeiten. Zu vergleichbaren Ergebnissen gelangen auch Auerbach und Gorodnichenko (2012, S. 1 ff.). Deutlich zurückhaltender bei der Beurteilung von Infrastruktureffekten auf das Wirtschaftswachstum sind u. a. Straub und Vellutini (2009), die regionale und sektorale Faktoren in ihr Modell integrieren. Zu den mit Infrastrukturinvestitionen verbundenen Effekten, insbesondere auf das Wirtschaftswachstum siehe Aschauer (1989a, b), sowie Munnell (1990), wobei die Aussagen bezüglich der Produktivitätswirkung aufgrund unterschiedlicher Messungen von Infrastrukturinvestitionen sowie aufgrund der regionalen Aggregation der Daten letztlich keinen systematischen Zusammenhang erkennen lassen. Vgl. auch Pfähler et al. (1995, S. 71 ff.), die nahezu alle vorhandenen empirischen Studien auswerten und dennoch keine eindeutigen Ergebnisse präsentieren können.
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Die genaue Erfassung aller staatlichen Investitionsausgaben in Europa scheitert jedoch an der exakten Definition von staatlicher Tätigkeit. Zwar gibt es das 1995 verankerte Europäische System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (EVSG), jedoch bleiben Abgrenzungsprobleme, insbesondere hinsichtlich der Zuordnung öffentlicher Unternehmen. Auch die verschiedenen staatlichen Zuständigkeiten verhindern eine Gegenüberstellung staatlicher Investitionsquoten in Europa.
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Abweichend hiervon wird insbesondere in Deutschland eine zu niedrige Investitionsquote konstatiert. Stellvertretend für den Mainstream titelte etwa „Der Spiegel“ in seiner Ausgabe 37/2014 „Der Bröckelstaat. Wie wir Zukunft und Wohlstand verspielen.“ Offensichtlich ist sich auch die Politik dieses Problems bewusst. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, Deutschlands Investitionsrückstand zum OECD-Durchschnitt, der sich im Jahr 2013 auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung belief, auszugleichen (vgl. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 2013). „Wir werden in den nächsten vier Jahren die Bundesmittel für Verkehrsinfrastruktur substanziell erhöhen“ (S. 29) Auch in anderen Bereichen investiere Deutschland zu wenig. Vgl. DIW Berlin und Handelsblatt Research (2014) und in vergleichender Perspektive siehe Gornig und Schiersch (2014), Baldi et al. (2014).
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So der Bericht der Expertenkommission im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel: „Stärkung von Investitionen in Deutschland“, Berlin 2015; zustimmend ebenfalls Pällmann-Kommission (2000), Bodewig-Kommission (2013), Daehre-Kommission (2012), Kunert und Link (2013), IW Köln (2014), ifo Institut (2013).
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Als Erklärung hierfür können einerseits die Erfahrungen der Verkehrsteilnehmer gelten. Andererseits erhöht sich die Auslastung der Verkehrsinfrastruktur, während der Mitteleinsatz konstant bleibt. Hieraus resultieren höhere Abnutzungen insbesondere durch die Zunahme des Güter- und Fernverkehrs. Die Bundesregierung erwartet etwa, dass die Verkehrsleistung bis 2025 im Vergleich zu 2004 um rund 18 % steigt, während der Gütertransport sogar um 70,2 % zunehmen wird. Dieser Zuwachs spiegelt sich jedoch nicht in den Investitionsquoten, sodass es zum Substanzverlust kommt, dessen Höhe Gegenstand politischer Auseinandersetzungen ist. Obschon eine genaue Monetarisierung wohl nicht möglich ist, lässt sich der Zustand der Infrastruktur exakter beschreiben: So ist auf 19 % der Autobahnen und auf 41 % der Bundesstraßen der sogenannte Warnwert erreicht oder überschritten, mit dem die dringende Notwendigkeit von Reparaturen angezeigt wird (Deutscher Bundestag 2013, S. 205 ff.). Nahezu jede zweite Brücke an Bundesfernstraßen weist einen erheblichen Sanierungsstau auf, wodurch allein in diesem Bereich ein Investitionsbedarf von jährlich 2 Mrd. € entsteht (Deutscher Bundestag 2011). Hinzu kommen noch die nötigen Ersatzinvestitionen im kommunalen Straßennetz, die auf jährlich rund 8 Mrd. € taxiert werden. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) sind darüber hinaus noch weitere Mittel erforderlich, um die jährliche Investitionslücke von drei Prozent des BIP zu schließen (vgl. DIW 2013, S. 3).
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Im Einzelfall können sich die Refinanzierungskosten um bis zu 8,9 % erhöhen, wie das Projekt „Greater Manchester Waste“ (GMW) verdeutlicht. Aufgrund der Finanzmarktkrise verteuerte sich dieses Vorhaben innerhalb weniger Monate um £490 Mio. auf £631 Mio.
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Zu diesem Vorhaben und den damit verbundenen Konsequenzen siehe Beck und Sheppard (2015).
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Wie Firzli und Bazi (2011) ausführen, sind Infrastrukturen kostenintensive und komplexe Investitionen, die sich für private Kapitalgeber erst langfristig amortisieren. „In that perspective, the government can act simultaneously as asset owner/landlord, co-investor and co-manager (in the case of public-private partnerships), sector regulator, client, policy maker, and, in case of litigation, (often) judge of last resort! This is why legal security and evenhandedness are critical for pension investors: governments […] really have to walk the extra mile for economic fairness, legal stability and regulatory efficiency if they wish to attract and retain pension investment money.“
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Siehe Gesetz zur Förderung von Investitionen finanzschwacher Kommunen und zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern, 24. Juni 2015.
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Stellvertretend etwa Reinhart und Rogoff (2013): „higher borrowing trajectory is warranted, given weak demand, and low interest rates, where governments can identify, high return infrastructure projects […]. Borrowing to finance productive long run potential growth, ultimately pulling debt ratios lower.“
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Sättigungseffekte haben deshalb Überlegungen intensiviert, den Infrastrukturausbau in weniger entwickelten Volkswirtschaften wie etwa in Afrika zu intensivieren. Zur Diskussion siehe Lin und Doemeland (2012).
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Ähnlich Albrecht (2004, S. 1637), der ebenfalls einen Zusammenhang zwischen kritischer Finanzlage der öffentlichen Hand und der Ausbreitung von PPP-Vorhaben zu erkennen glaubt.
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Winkelmann, T. (2017). Infrastrukturpolitik im Zeitalter von Austerität. In: Sturm, R., Griebel, T., Winkelmann, T. (eds) Austerität als gesellschaftliches Projekt. Studien der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17461-3_7
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