Zusammenfassung
Ende der 1960er-Jahre warf Jürgen Habermas dem Soziologen Helmut Schelsky vor, eine öffentlich wirksame „Hintergrundideologie [...] der entpolitisierten Masse der Bevölkerung“ (Habermas 1969, S. 81) zu liefern. Der 1912 in Chemnitz geborene, 1984 in Münster verstorbene Soziologe hatte mit seiner These des Sachzwangs, der im „technischen Staat“ walte und politische Herrschaft überflüssig mache, abermals eine Analyse vorgelegt, die auf den damaligen Zeitgeist kongenial reagierte und eine bis heute nachwirkende Kontroverse heraufbeschwor. Schon früh übte Schelsky einen kaum zu überschätzenden Einfluss auf die Debatten der jungen Bonner Republik aus. Als ‚public intellectual‘ wider Willen gaben seine Untersuchungen Deutungen und Semantiken vor, die als politisch opportune Selbstbeschreibung der Republik der Nachkriegsjahre und des Wirtschaftswunders dienen konnten. So diagnostizierte er etwa eine nach den Kriegswirren gegenüber jeglicher Ideologie „skeptische Generation“ (Schelsky 1957) und eine „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ (Schelsky 1953).
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Literatur
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Séville, A. (2023). Helmut Schelsky: Ein öffentlicher „(Anti-)Soziologe“. In: Selke, S., Neun, O., Jende, R., Lessenich, S., Bude, H. (eds) Handbuch Öffentliche Soziologie. Öffentliche Wissenschaft und gesellschaftlicher Wandel. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16995-4_12
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