Zusammenfassung
Politische Partizipation und Rechtsstaat sind die beiden Grundpfeiler moderner liberaldemokratischer Staaten, deren Krise heute zumeist auf die Aushöhlung liberaler Grundrechte zurückgeführt wird. Insbesondere im Anschluss an Terroranschläge wird diese Problematik intensiv thematisiert. Die fundamentalere Gefahr geht für den liberaldemokratischen Staat jedoch von der Auflösung seiner Grenzen aus, wie sie aktuell zu beobachten und für eine imperiale Weltordnung typisch ist. Ist sein Hoheitsgebiet nicht mehr gesichert, vermag ein Staat weder die Grundrechte seiner Bürgerschaft noch die wirksame Umsetzung ihrer politischen Entscheidungen zu garantieren. Dieser Befund gilt naheliegenderweise für die Staaten an der Peripherie, aus anderen Gründen aber auch für die USA als gegenwärtigen imperialen Akteur. Während für die Sicherung des Rechtsstaates in Form von rechtlich definierten Ausnahmebefugnissen eine institutionelle Lösung prinzipiell gegeben ist, existiert kein ähnlicher Ausweg für die Gewährleistung effektiver politischer Partizipation angesichts ständiger Grenzüberschreitungen. Die imperiale Stellung der USA hat neue Machtzentren entstehen lassen, die sich nicht konstitutionell hegen lassen, ohne die bestehende Ordnung umzustürzen. Die daraus resultierende Spannung lässt sich eine Weile aushalten, aber nicht grundsätzlich beseitigen.
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Notes
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Tatsächlich steht die Spannung bereits am Ursprung des liberaldemokratischen Staates, als die amerikanischen Gründerväter eine institutionell gehegte Demokratie der ungezügelten Entfaltung des demokratischen Willens wie im antiken Athen explizit vorzogen (Demandt 2009, S. 40 f.).
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Diese Begriffsverwendung wird durch das deutsche Grundgesetz (GG) gestützt, das die liberalen Abwehrrechte in einem eigenen Abschnitt unter der Überschrift „Die Grundrechte“ aufführt (Art. 1–19 GG), während die politischen Gestaltungsrechte verstreut am thematisch passenden Ort stehen (bspw. Art. 20, 2; 38 GG). In einzelnen Fällen können sich die beiden Arten überschneiden, indem etwa die Meinungs- und Versammlungsfreiheit (5, 1; 8, 1 GG) als konstitutiv für den politischen Willensbildungsprozess angesehen werden (Arendt 2012, S. 247 f.).
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In der Schweiz, auf deren Fall sich die Arbeit von Christmann schwerpunktmäßig bezieht, kulminiert der Konflikt aktuell in einer Initiative, die Landesrecht vor Völkerrecht stellen will, um direktdemokratische Entscheidungen ungehindert durchsetzen zu können (SVP 2014). Sie kommt voraussichtlich 2017 zur Abstimmung.
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Dies ist zumindest da der Fall, wo die Existenz und Funktionalität demokratischer Prozesse noch grundsätzlich anerkannt wird. Ein zweiter wirkmächtiger Argumentationsstrang fokussiert vor allem das Verhältnis von Ökonomie und Politik und sieht teilweise aufgrund der Überlegenheit wirtschaftlicher Akteure das postdemokratische Zeitalter bereits angebrochen (bspw. Crouch 2004).
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Michael Mann (1990, S. 46 ff.) hat vier Machtsorten unterschieden: militärische, ökonomische, politische und ideologische. Dass die USA in jeder Hinsicht eine herausragende Stellung innehaben, dürfte unbestritten sein.
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Die ökonomische Dominanz beschränkt sich nicht auf die Feststellung zahlenmäßig nachweisbarer Wirtschaftskraft, sondern bezieht sich vor allem auf die Position der USA als Referenzpunkt in einer von ihr maßgeblich gestalteten globalen Wirtschaftsordnung (Panitch und Gindin 2012; Wade 2003). Für die weltweite militärische Präsenz und die symbiotische Zusammenarbeit ziviler, militärischer und staatlicher Stellen in der Entwicklung globaler Strategien siehe Morrissey (2011). Für die Einordnung verbreitet genannter Konkurrenten um die imperiale Stellung, namentlich die EU und China, als schwache Herausforderer siehe Walter (2015, S. 68–70). Insbesondere mit Bezug auf China ist zu beachten, dass das Land bisher vor allem ökonomische Macht akkumuliert hat, sich aber gerade in diesem Bereich nun zu Reformen gezwungen sieht, die eine Anpassung an die amerikanischen Regeln bedeuten, wenn etwa Innovation durch eingeschränkte Garantie von property rights gefördert werden soll. Bleiben solche Reformen aus, wird sich das bald in weiter schrumpfenden Wachstumszahlen niederschlagen, werden sie hingegen weitergetrieben, sind über kurz oder lang Spannungen mit dem einer ganz anderen Logik folgenden politischen System unvermeidlich. Wie dieser Konflikt ausgehen wird, lässt sich heute nicht voraussagen.
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Diese Konstellation ist im Unterschied zu einer imperialen als hegemoniale Ordnung zu bezeichnen, in der eine führende Macht mindestens einem ähnlich starken Konkurrenten gegenüber steht. Es besteht deshalb ständig die Möglichkeit, dass Verbündete überlaufen und dadurch das Gleichgewicht nachhaltig verschieben, weswegen ein Hegemon tendenziell mehr Rücksicht auf seine Verbündeten nimmt. Aus diesem Umstand wird oft geschlossen, dass die Hegemonie mit soft power, das Imperium hingegen mit hard power operiere. Das ist jedoch eine verkürzte Zuschreibung, weil beide Akteure grundsätzlich das in ihren Augen angemessene Mittel einsetzen (smart power). Der entscheidende Unterschied liegt in der geringeren Übermacht des Hegemon im Vergleich zum Imperium (Walter 2015, S. 43 f.).
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Für die völkerrechtliche Fragwürdigkeit der amerikanischen Drohneneinsätze siehe Schaller (2012, S. 11). Die Fähigkeit der USA, die Kosten der Finanzkrise zu globalisieren und letztlich gestärkt daraus hervorzugehen, beschreiben Panitch und Gindin (2012, S. 318 ff.). Internationale Schiedsgerichte stehen aktuell seit den Veröffentlichungen zu den TTIP-Verhandlungen in der Kritik, insbesondere seit Greenpeace die unnachgiebige Haltung der USA in dieser Frage dokumentiert hat. Den dadurch drohenden Souveränitätsverlust diskutiert Klodt (2014). Bisher waren vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer davon betroffen, seit 2013 finden sich aber zunehmend EU-Staaten auf der Anklagebank wieder (Felbermayr 2014, S. 474).
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Wie Münkler (2006b) betont, ist es „nicht nur die reine Lust“ ein Imperium zu sein, sondern es geht damit ein gewisser Interventionszwang im eigenen Einflussgebiet einher. Diesem Druck können sich nicht-imperiale Akteure entziehen, indem sie von der gesicherten Ordnung profitieren, ohne sich selbst an den Kosten zu beteiligen, die dafür entstehen. Die strategische Schwerpunktverschiebung der USA von Europa in den pazifischen Raum und die Krisenherde an den europäischen Rändern deuten jedoch darauf hin, dass es in Zukunft für die EU-Staaten schwieriger sein könnte, sich auf der Friedensdividende auszuruhen (Münkler 2015, S. 48 ff.).
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Schmitt (1995, S. 39 f.) nennt darüber hinaus rechtsstaatliche Instrumente, der Gefahr eines Missbrauchs von Notstandskompetenzen vorzubeugen. Dazu gehören vor allem genaue Beschreibungen der Voraussetzungen und des Inhalts von außerordentlichen Befugnissen sowie gewisse Formen der Kontrolle.
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Es ist nicht einsichtig, wieso die verfassungsmäßige Festschreibung von Ausnahmeregelungen zu erhöhten Sicherheitsansprüchen und einer Normalisierung der Ausnahme führen sollte, wie Frankenberg (2010, S. 182–184) postuliert. Vielmehr sind dies Entwicklungen, die in der Vergangenheit gerade in Staaten mit fehlenden rechtlichen Normierungen zu beobachten waren und wie sie von Frankenberg selbst im weiteren Verlauf seiner Ausführungen überzeugend dargestellt werden. Eine klare Verrechtlichung von Ausnahmebefugnissen würde zwar keine Garantie gegen solche Entwicklungen gewähren, aber immerhin eine Handhabe bieten, auf legalem Weg dagegen vorzugehen.
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Walter, M. (2017). Grenzenlose Demokratie? Die Prekarität demokratischer Grenzziehung im imperialen Kontext. In: Förster, A., Lemke, M. (eds) Die Grenzen der Demokratie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16295-5_5
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