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Zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit: Rortys bewusst „leichtfertige“ Aneignung eines heroischen Motivs im Denken Max Webers

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Handbuch Richard Rorty
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Zusammenfassung

Der folgende Beitrag rekonstruiert zunächst Max Webers Diagnose der Moderne als einer polytheistischen und entzauberten Welt, auf deren ethische Herausforderungen Weber selbst mit der Haltung eines tiefen Ernstes reagiert. Rortys liberal-ironische Haltung scheint eine ganz andere Reaktion nahezulegen – was insbesondere an Rortys Abschied vom Erhabenen auch tatsächlich gezeigt werden kann. Indes findet sich auch bei Rorty eine ganz erhebliche, zuweilen sogar moralistische Ernsthaftigkeit, die zur Frage führt, wie Rortys ironische Haltung abschließend einzuordnen ist.

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Notes

  1. 1.

    Zum Thema Ironie in der politischen Philosophie: Frischmann (2014); Bonacker et al. (2003), darin mit Blick auf Rorty v. a. die Beiträge von D. Auer, W. Reese-Schäfer und L. Waas.

  2. 2.

    Habermas verwendet den Begriff „ironisch“ hier natürlich in anderer Weise als Richard Rorty.

  3. 3.

    So Weber in einem Brief an Mina Tobler im August 1915.

  4. 4.

    Schon an dieser Stelle könnte man freilich zu bedenken geben, ob nicht auch und gerade „solche Leute“ zu allen Zeiten in den Reihen jener Claqueure zu finden waren, die beim Pogrom gegen unliebsame Außenseiter zwar nicht selbst Feuer legen, deren Einverständnis aber die Taten radikaler Minderheiten erst ermöglicht, nicht selten im Namen von „Ruhe und Ordnung“.

  5. 5.

    Wobei Nietzsche in der Fröhlichen Wissenschaft den „Ernst um die Wahrheit“ durchaus ironisch in Frage stellt: „So ist es möglich, dass Einer gerade mit seinem Pathos von Ernsthaftigkeit verrät, wie oberflächlich und genügsam sein Geist bisher im Reiche der Erkenntnis gespielt hat.“ (Nietzsche 1988b, Nr. 88).

  6. 6.

    Der Untertitel des Buches „Die Gesellschaft zwischen Pathos und Nüchternheit“ verweist auf eben dieses für Geiger zentrale Spannungsverhältnis und den in seinen Augen nötigen Lernprozess.

  7. 7.

    Und weiter: „Daher die Begierde der Gegenwart nach An- und Aufregungen, nach extremen Eindrücken, nach der größten Raschheit ihres Wechsels – einer jener typischen Versuche, den Gefahren oder Leiden einer Situation durch quantitative Exaggerierung ihres Inhaltes abzuhelfen.“ (Simmel 1989, S. 336).

  8. 8.

    „Ethnozentrisch“ ist diese Position, so Rorty, insofern, als die Überzeugungskraft bestimmter Ideale an die Gemeinsamkeit der verwendeten Vokabulare rückgebunden bleibt – „Begründungen sind immer relativ zu einer Hörerschaft“ (Rorty 1998b, S. 11).

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Schwaabe, C. (2022). Zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit: Rortys bewusst „leichtfertige“ Aneignung eines heroischen Motivs im Denken Max Webers. In: Müller, M. (eds) Handbuch Richard Rorty. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16260-3_73-1

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