Zusammenfassung
Professionelle demokratische AkteurInnen stehen vor einem Dilemma: auf der einen Seite müssen sie gesellschaftlichen Repräsentationsanforderungen genügen, also in Stellvertretung die Selbstbestimmung einer politischen Gemeinschaft instand setzen. Auf der anderen Seite erfordert die komplexe politische Praxis professionelle Gestaltungsautonomie, die sich gerade nicht unmittelbar aus einem präexistenten Volkswillen ableiten lässt. Die These des Textes lautet nun: Um diesem Dilemma analytisch beikommen zu können, darf die Tätigkeit der Repräsentation nicht länger als theoretischer Hohlraum behandelt werden. Eine empirische Analyse auf der Basis einer ethnografischen Parlamentsstudie lässt erkennen, was sichtbar wird, nimmt man Repräsentation als spezielle Form von Arbeit ernst: Die Abgeordneten erarbeiten sich Autonomiespielräume zur Gestaltung symbolischer Ordnungen der Gesellschaft, indem sie gerade das in Anspruch nehmen, was aus klassisch demokratietheoretischer Perspektive als äußerst problematisch erscheint - nämlich Bindungen in personellen Beziehungen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Literatur
Bohnsack, R. (2008): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. Opladen, Farmington Hills: Barbara Budrich.
Borchert, J. (1999): Politik als Beruf. Die politische Klasse in westlichen Demokratien. Opladen: Leske + Budrich.
Bourdieu, P. (2010): Politik. Schriften zur politischen Ökonomie 2. Konstanz: UVK.
Bourdieu, P. (1991): Die politische Repräsentation. Berliner Journal für Soziologie 4, 489–515.
Brettschneider, F. (2002): Abgehoben oder bürgernah? Die Responsivität des Deutschen Bundestages. In: H. Oberreuter, U. Kranenpohl, M. Sebaldt (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag im Wandel. Ergebnisse neuerer Parlamentarismusforschung (259–279). Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Brichzin, J. (2016a): Krise des politischen Alltags? Eine ethnografische Parlamentsstudie zur gesellschaftlichen Entfremdung des Politischen. In: F. Adloff, A. Antony, G. Sebald (Hrsg.), Handlungs- und Interaktionskrisen. Theoretische und empirische mikrosoziologische Perspektiven. Sonderheft der Österreichischen Zeitschrift für Soziologie (191–212). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Brichzin, J. (2016b): Parlamentarische Praxis. Der Stand der Forschung zur zentralen Institution der Demokratie. Soziale Welt 67, 1, 91–112.
Brichzin, J. (2016c): Politische Arbeit in Parlamenten. Eine ethnografische Studie zum politischen Feld. Baden-Baden: Nomos.
Burmeister, K. (1993): Die Professionalisierung der Politik. Am Beispiel des Berufspolitikers im parlamentarischen System der Bundesrepublik Deutschland. Berlin: Duncker/Humblot.
Degele, N., Dries, C. (2005): Modernisierungstheorie. München: Wilhelm Fink.
Fehmel, T. (2014): Einleitung: Autonomiegewinne als Bezugspunkt sozialer Theorie und Praxis. In: T. Fehmel, S. Lessenich, J. Preunkert (Hrsg.), Systemzwang und Akteurswissen. Theorie und Empirie von Autonomiegewinnen (10–23). Frankfurt am Main: Campus.
Fraenkel, E. (1991): Deutschland und die westlichen Demokratien. Frankfurtam Main: Suhrkamp.
Hoinle, M. (2001): „Heiterkeit im ganzen Hause“ – Über parlamentarisches Lachen. Zeitschrift für Parlamentsfragen, 440–452.
Ismayr, W. (2009): Der Deutsche Bundestag seit 1990. Aus Politik und Zeitgeschichte 28, 34–40.
Kratzer, N. (2013): Entgrenzung. In: H. Hirsch-Kreinsen, H. Minssen (Hrsg.), Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie (186–191). Berlin: edition sigma.
Lessenich, S. (2008): Die Neuerfindung des Sozialen. Der Sozialstaat im flexiblen Kapitalismus. Bielefeld: transcript.
Leuschner, V. (2011): Politische Freundschaften. Informelle Beziehungen im Deutschen Bundestag. Baden-Baden: Nomos.
Llanque, M. (2001): Verfassungsgebung als Ort politischer Kreativität. In: H. Bluhm, J. Gebhardt (Hrsg.), Konzepte politischen Handelns. Kreativität – Innovation – Praxen (261–288). Baden-Baden: Nomos.
Luhmann, N. (1983): Legitimation durch Verfahren. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Marx, K. (1867/1975): Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Buch I: Der Produktionsprozeß des Kapitals. Berlin: Dietz.
Mayntz, R., Neidhardt, F. (1989): Parlamentskultur: Handlungsorientierungen von Bundestagsabgeordneten – eine empirisch explorative Studie. Zeitschrift für Parlamentsfragen, 20, 3, 370–387.
Oberreuter, H. (1995): Die Abgeordneten. Stellung, Aufgaben und Selbstverständnis in der parlamentarischen Demokratie. München: Bayerischer Landtag.
Oberreuter, H.; Kranenpohl, U.; Sebaldt, M. (2002): Der Deutsche Bundestag: Konstanz und Wandel eines Parlaments. Zur Einführung. In: Dies. (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag im Wandel. Ergebnisse neuerer Parlamentarismusforschung (7–26). Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Patzelt, W. (1996): Deutschlands Abgeordnete: Profil eines Berufsstands, der weit besser ist als sein Ruf. Zeitschrift für Parlamentsfragen, 27, 4, 462–502.
Patzelt, W., Edinger, M. (2011): Politik als Beruf. Zum politischen Führungspersonal in der modernen Demokratie. Politik als Beruf. Politische Vierteljahresschrift, Sonderheft 44, 9–32.
Pongratz, H. (2014): Arbeit als gesellschaftliche Institution. Zu Heinz Hartmann: „Arbeit, Beruf, Profession“, Soziale Welt 19 (1968). In: N. Braun, J. Müller, A. Nassehi, I. Saake, T. Wolbring (Hrsg.), Begriffe – Positionen – Debatten. Eine Relektüre von 65 Jahren Soziale Welt. Soziale Welt Sonderband 21 (77–88). Baden-Baden: Nomos.
Pitkin, H. (1967): The Concept of Representation. Berkeley, Los Angeles: University of California Press.
Reiser, M., Hülsken, C., Schwarz, B., Borchert, J. (2011): Das Reden der Neulinge und andere Sünden. Parlamentarische Sozialisation und Parlamentskultur in zwei deutschen Landtagen. Zeitschrift für Parlamentsfragen, 42, 4, 820–834.
Rousseau, J. (2000): Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundlagen des politischen Rech Frankfurt am Main, Leipzig: Insel.
Scheuch, E., Scheuch, U. (1993): Cliquen, Klüngel und Karrieren. Über den Verfall der politischen Parteien – eine Studie. Reinbek: Rowohlt.
Schöne, H. (2010): Alltag im Parlament. Parlamentskultur in Theorie und Empirie. Baden-Baden: Nomos.
Schütt-Wetschky, E. (2005): Regierung, Parlament oder Parteien: Wer entscheidet, wer beschließt? Zeitschrift für Parlamentsfragen, 36, 1, 489–507.
Schüttemeyer, S. (2003): Die Bundestagsabgeordneten im Kräftefeld von Parlament, Fraktion, Partei und Wählern. In: G. Breit, P. Massing, (Hrsg.), Parlamentarismus in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Einführung (77–100). Schwalbach: Wochenschau.
Thaa, W. (2014): Die Krise demokratischer Repräsentation als Krise ihrer konfigurativen Funktion. Heinrich Böll Stiftung, Policy Paper No. 10.
Voß, G.G., Pongratz, H. (1998): Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 50, 1, 131–158.
Weber, M. (1919/1992): Politik als Beruf. Stuttgart: Reclam.
Weber, M. (1918/1967): Parlamentarisierung und Demokratisierung. In: K. Kluxen (Hrsg.), Parlamentarismus (27–40). Köln, Berlin: Kiepenheuer/Witsch.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2018 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Brichzin, J. (2018). Demokratie bewältigen. Politische Akteure zwischen Repräsentationsanforderungen und Gestaltungsautonomie. In: Bohmann, U., Börner, S., Lindner, D., Oberthür, J., Stiegler, A. (eds) Praktiken der Selbstbestimmung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-14987-1_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-14987-1_4
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-14986-4
Online ISBN: 978-3-658-14987-1
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)