Zusammenfassung
Der vorliegende Artikel untersucht die Schnittmenge von Film, Politik und US-amerikanischer Kultur und Gesellschaft anhand einer Vielzahl von Filmen, die während der Bush-Cheney-Ära der 2000er-Jahre produziert wurden. Diese Untersuchung des zeitgenössischen Kinos beschreibt das Hollywoodkino in Zeiten von politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und militärischen Konflikten als ein von konservativen wie auch liberalen Kräften hart umkämpftes Gebiet.
Dieser Beitrag basiert auf der Übersetzung der Einleitung zu Douglas Kellners Buch Cinema Wars (2010) und wird hier mit freundlicher Genehmigung des Autors veröffentlicht. Zur weiteren Vertiefung des hier vorgestellten Zugangs zu Film und Politik siehe auch den von Rainer Winter herausgegebenen Douglas Kellner Reader (2005).
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Notes
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Ich benutze den Begriff Bush-Cheney-Regierung, um auf die herausragende Rolle Dick Cheneys und seiner Verbündeten während der Bush-Junior-Jahre hinzuweisen. Eine Artikelserie in der Washington Post unter der Rubrik „Angler“ dokumentiert die beispiellose Rolle, die Dick Cheney während der Präsidentschaft Bushs gespielt hat. Siehe www.blog.washingtonpost.com/cheney/ und das Buch Angler (Gellman 2008), das auf dieser Artikelserie basiert. Für weitere kritische Analysen zu Cheney vgl. Nichols (2004) und Mayer (2008).
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„Hollywood considers role in war effort“, CNN am 12.11.2001 (vgl. www.archives.cnn.com/2001/US/11/11/rec.hollywood.terror/index.html, zugegriffen am 18.09.2008). Nach einem Treffen von Karl Rove, einem Berater Bushs, mit Führungskräften Hollywoods gab ein Sprecher des Weißen Hauses bekannt: „Die Regierung wird sich mit den Studiodirektoren darüber verständigen, wie die Themen Patriotismus, Toleranz und Mut zu Hause und im Ausland kommuniziert werden.“ (vgl. Robert Reno, „Harrumph for Bush’s Hollywood“, Common Dreams News Center, 13.11.2001, www.commondreams.org/views01/1113-06.htm, zugegriffen am 18.09.2008). Jack Valenti, Hollywoodinsider und Präsident der Motion Picture Association of America, behauptete anschließend, das Gespräch hätte zu einer erhöhten Distribution aktueller US-Filme an Truppen sowie einer gesteigerten Produktion von Filmen für den öffentlichen Dienst geführt, während spezifische Themen oder Filme nicht vorgegeben wurden (vgl. McCrisken und Pepper 2005, S. 204).
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Ich verwende die Begriffe „Hollywood-Film“ und „Kino“ synonym zur Beschreibung des gegenwärtigen Kinos der Vereinigten Staaten. „Hollywood“ wird traditionellerweise gebraucht, um die spezifische Form der Filmproduktion, der Genres, der Distribution und der Rezeption in den USA zu beschreiben. Im Zeitalter einer globalisierten kulturellen Produktion überschreitet die Geografie des US-Films zwar Hollywood als Ort, doch um Kontinuitäten hervorzuheben, benutzte ich den noch immer weithin verwendeten Ausdruck „Hollywood-Film“. Dieser meint Filme, die in großen Teilen von US-Firmen finanziert und produziert werden und den Konventionen folgen, die mit dem klassischen Hollywoodkino in Verbindung gebracht werden. Der Begriff „Kino“ hat eine vielschichtigere Bedeutung als der Begriff „Film“, weil er sowohl auf das System der Produktion, Distribution und Rezeption als auch auf Genres, Stilistiken und Ästhetik eines spezifischen nationalen Kinos verweist. Hinsichtlich des klassischen Hollywoodkinos siehe Bordwell et al. (1985); zu den Kontinuitäten zwischen dem klassischen und dem gegenwärtigen Hollywoodkino siehe Bordwell (2006); einen Überblick über den Hollywood-Film und seine Beziehung zur Kino- und Filmgeschichte und US-Gesellschaft gibt Thomson (2004).
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Ideologie bezieht sich auf die dominanten Ideen in einer Gesellschaft, die die herrschenden Institutionen, Gruppen und sozialen Verhältnisse legitimieren. Der Marx’schen Ideologiekritik, die Ideologie als die dominanten Ideen der herrschenden Klasse beschreibt, folgend, erweitert Antonio Gramsci (1971) den Ideologiebegriff auf die Ideen mehrheitlicher Gruppierungen, die um ihre hegemoniale Stellung kämpfen, wie beispielsweise Liberale und Konservative in den USA und Sozialismus/Kommunismus gegen Konservatismus in bestimmten europäischen Kontexten. Die Britischen Cultural Studies erweitern das Konzept der Ideologie dahingehend, wie solche Ideen Dominanz und Unterordnung auf dem Gebiet von Geschlecht, Sexualität, Ethnizität, Religion und anderen Sphären des Gesellschaftslebens reproduzieren. Während einige Hollywood-Filme reine ideologische Propaganda sind, sind andere höchst widersprüchlich und ambivalent, ja sogar inkohärent und schwer zu lesen, was zu mannigfaltigen Lesarten führt. Weiterführend zum Konzept der Ideologie siehe Durham und Kellner (2006); zu den Debatten über Ideologie und ihren Gebrauch in der Medienkulturanalyse siehe Kellner (1978, 1979); Centre for Contemporary Cultural Studies (1980); Kellner und Ryan (1988); Thompson (1990).
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Wie Robin Wood (1986) vorschlägt, kann der „inkohärente Text“ äußerst aufschlussreich hinsichtlich ideologischer und sozial-psychologischer Problematiken innerhalb eines bestimmten historischen Moments sein, während er auch einfach nur konfus und unzusammenhängend sein kann und lediglich die ideologische Verwirrung und Ambivalenz reflektiert. Beispielsweise argumentiert Wood, dass William Friedkins Cruising (1980) zu weiten Teilen als homophob und Stereotype über die schwule männliche Kultur reproduzierend angesehen wird, obwohl andere Teile des Films mit der schwulen Kultur sympathisieren und den Gegensatz zwischen Hetero- und Homosexualität dekonstruieren. Ich werde auf Beispiele für inkohärente Texte im gegenwärtigen Hollywood-Film zurückkommen, die konfliktreiche politische und ideologische Positionen einbringen.
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Der Begriff Repräsentationspolitik geht auf Stuart Hall und die Britischen Cultural Studies zurück (vgl. Kellner 1995). Er bezieht sich auf die spezifisch politische Kodierung von Repräsentationen im Film und anderen medienkulturellen Artefakten, wobei Narrative beispielsweise liberale, konservative, radikale oder ambivalente Positionen transkodieren, oder Repräsentationen von Frauen sexistisch, progressiv oder widersprüchlich sind. Weiterführend zur Repräsentationspolitik siehe auch Durham und Kellner (2006) sowie Hammer und Kellner (2009a).
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Zu den Kulturkriegen zwischen Liberalen, Konservativen und Radikalen in der US-Gesellschaft von den 1960er-Jahren bis in die Gegenwart siehe auch Hunter (1991) und Jensen (1995). „Konservatismus“ und „Liberalismus“ haben verschiedene und umkämpfte Bedeutungen in unterschiedlichen Kulturen und historischen Zeitabschnitten, wobei ich mich auf die US-Kulturkriege der 2000er-Jahre, so wie sie in zeitgenössischen Hollywood-Filmen dargestellt werden, beziehe.
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Zum Gegensatz von Gibsons Passion und The Da Vinci Code – Sakrileg siehe Hammer und Kellner (2009b).
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Für eine ausführliche Diskussion, wie sich Gibsons Film vom Evangelium entfernt und problematische Erzählungen über die Gefangenschaft und den Tod Jesu liefert, siehe Hammer und Kellner (2009b).
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Zum systematischen Gebrauch einer Politik der Lügen durch die Bush-Cheney-Regierung siehe Kellner (2007b). In Interviews behauptete Mel Gibson fälschlicherweise, die Passion gründete auf den Evangelien und bestritt vehement antisemitische Motive bei der Filmproduktion. Er behauptete auch, der Heilige Geist hätte Regie geführt, als ob Gibson das Werkzeug Gottes wäre. Viele WissenschaftlerInnen weisen darauf hin, wie die Passion von den Evangelien abweicht. Es gab scharfe Kritik am Antisemitismus des Films, eine Lesart, die durch Gibsons antisemitischen Wutausbruch während eines Zwischenfalls im Jahr 2006 wegen Alkohol und Drogen am Steuer gestützt wird (vgl. Kellner 2009).
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Bis zum 19.01.2009 spielte The Dark Knight 997.033.655 US-Dollar weltweit ein (vgl. www.boxofficemojo.com/movies/?id=darkknight.htm).
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Ron Suskind (2006) zitiert Dick Cheney, der sagte, dass wenn auch nur eine zweiprozentige Chance bestünde, dass eine Gruppe oder ein Individuum einen Terrorakt verüben wird, ihre Festnahme, die Verletzung von Rechten und sogar Folter vollkommen gerechtfertigt wären. Später nennt die Journalistin Jane Mayer (2008) ihr Buch über die gesetzlose und bösartige Natur der Politik der Bush-Cheney-Regierung The Dark Side, das noch einmal in Dick Cheneys eigenen Worten beschreibt, wozu die Regierung bereit war, um den Terror zu bekämpfen.
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Hierzu siehe auch Andrew Klavans „What Bush and Batman have in common“, Wall Street Journal vom 25.07.2008: A15.
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Wie die Oscarverleihungen unterschiedliche Zeiten widerspiegeln, findet sich in Patrick Goldstein, „A dark view on dark times“, Los Angeles Times vom 25.02.2008: E1, 12, beschrieben.
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Mein Begriff einer kinematografischen Kartografie ist durch Fredric Jamesons (1981, 1992) Begriff der kognitiven Kartografie (cognitive mapping) beeinflusst, wonach Film, Literatur oder kulturelle Texte zu einem Prozess beitragen, durch den sich ein Individuum innerhalb eines größeren gesellschaftlichen Kontextes verortet, was den eigenen Platz in der Gesellschaft oder sogar in der globalen Welt mit einschließt. Solche Kartografien enthalten nach Jameson eine Mixtur aus Ideologie und Utopie, die die Individuen in vielerlei Hinsicht entlang der Begriffe dominanter Ideologien konstruiert, doch können sie auch utopische Möglichkeiten einer anderen Lebensweise aufzeigen. Eine kinematografische Kartografie zeigt Arten und Weisen auf, wie das Kino eine Sicht auf das gesellschaftliche, politische und individuelle Leben entwirft, die einen – wenn auch oft durch Ideologie und Voreingenommenheit verzerrten – Zugang zu gegenwärtigem Gesellschaftsleben, zu Politik und Geschichte gewährt.
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Für kritische FilmtheoretikerInnen stellt Realismus eine dominante Ideologie und einen kinematografischen Stil Hollywoods dar, der versucht, eine Nachbildung des Lebens zu liefern. Hierzu wird sich an bestimmten Konventionen bedient wie beispielsweise an der Reflexion über einen Charakter in einer bestimmten Gesellschaft, an einem kontinuierlichen Schnitt, der den Eindruck von Wirklichkeit erzeugt sowie an „realistischen“ Figuren, Kulissen und Erzählungen, die ein Bild der Wirklichkeit konstruieren. Eine ausführlichere Analyse der dominanten Ästhetik Hollywoods findet sich in Bordwell et al. (1985). David Bordwell (2006) argumentiert gegen die Behauptung, dass eine neue post-klassische oder postmoderne Ästhetik und Stilistik Hollywoods existierten, die einen Bruch mit dem früheren Hollywood-Kino markierten. Trotz neuer ästhetischer und technologischer Entwicklungen im Hollywood-Film bestünde eine „intensivierte Kontinuität“, die neuartige stilistische Entwicklungen und kinematografische Effekte mit wichtigen Bezügen zum klassischen Hollywood-Kino ermögliche. Dieser Position stimme ich zu.
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Eine Allegorie ist eine Form der Fantasie oder des Geschichtenerzählens, die interpretiert werden kann, um Erkenntnisse über gegenwärtige oder historische Ereignisse zu erlangen; sie ist eine figurative Art der Repräsentation, die andere Bedeutungen als bloß die wörtlichen transportiert. Zur Allegorie als Artikulationsform der sozio-historischen Wirklichkeit siehe Jameson (1981); zum gegenwärtigen Hollywood-Film und der Allegorie siehe Kellner und Ryan (1988) und Kellner (1995).
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Am 05.01.2009 gab es 1.307.319 durch die US-Invasion verursachte irakische Tote (vgl. www.justforeignpolicy.org/iraq/iraqdeaths.html); die offiziell bestätigten Toten des US-Militärs betrugen 4221 (vgl. www.icasualities.org/oif/). Der Krieg und die Besetzung des Iraks kosteten 585.692.590.217 US-Dollar (vgl. nationalpriorities.org/costofwar_home).
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Zur Diskussion der Arbeiten Benjamins und Adornos siehe Buck-Morss (1977) und Kellner (1989). Benjamin vertritt hinsichtlich des Potenzials von Medien wie Film zur Förderung progressiver politischer Ziele eine optimistischere und aktivistischere Position als Horkheimer und Adorno. Benjamin (1969) legt dar, dass Film, Sport und andere Formen der Massenunterhaltung eine/-n neue/-n Zuschauer/-in erschaffen, die/der in der Lage ist, kulturelle Formen kritisch zu analysieren und intelligent beurteilen zu können. Für Benjamin hilft der Niedergang der Aura eines Kunstwerks – der Sinn für Originalität, Einzigartigkeit und Authentizität – unter dem Druck der technischen Reproduzierbarkeit dabei, ein Publikum hervorzubringen, das in der Lage ist, sich aktiver mit einem weiten Feld kultureller Phänomene zu beschäftigen. Er argumentiert beispielsweise, dass ZuschauerInnen von Sportveranstaltungen anspruchsvolle RichterInnen athletischer Leistungen seien, die Spiele, Athleten, Strategien usw. beurteilen und analysieren können. Ebenso postuliert Benjamin, dass das Filmpublikum eine Expertise in Kritik erlangen und Filme diskutieren und beurteilen kann.
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Zum Existenzialismus siehe Robert C. Solomon (1987) und meine Doktorarbeit zu Heidegger’s Concept of Authenticity (www.gseis.ucla.edu/faculty/kellner/Heidegger.pdf), was in No Country kinematografisch dargestellt wird.
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Daniel Cho, E-Mail vom 02.08.2008.
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Kellner, D. (2021). Kinokriege: Film, Politik und Gesellschaft in den USA. In: Geimer, A., Heinze, C., Winter, R. (eds) Handbuch Filmsoziologie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-10729-1_41
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