Zusammenfassung
Cinéphile Ambition des Beitrages ist es, Delmer Daves als ambitionierten Film-Philosoph anzuerkennen, dessen Bild-Denken auf derselben Komplexitätsstufe steht wie die komplexe psychoanalytische Theorie von Jacques Lacan. Dazu aber werden Daves’ Filme von Binotto nicht etwa – wie in einer konventionellen deduktiven Analyse – theoretisch unterfüttert, stattdessen geht es dem Autor vielmehr umgekehrt darum, wie Daves‘ Arbeiten auf unbewusste, d. h. besonders produktive Weise an Lacans theoretischen Überlegungen arbeiten, sie mithin gar weiter denken und radikalisieren. Speziell Daves’ Rekurs auf das konventionalisierte Happy End des klassischen Hollywood steht dabei im Fokus der Betrachtung: nicht als naive Lösung einer krisenhaften Konstellation, sondern als dialektische Aufhebung unlösbarer Konflikte.
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Notes
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Nicht umsonst wird auch der weniger aufmerksame Betrachter an der Pinnwand der Redaktion das den Bild Rita Heyworths in ihrer Rolle aus Charles Vidors Gilda (1946) erkennen.
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Wie jüngst James MacDowell (2013) gezeigt hat, ist indes bereits das Happy End im klassischen Hollywoodkino keineswegs eine so homogene, klar umrissene Konvention, wie es die Kritik gerne darstellt, sondern umfasst durchaus unterschiedliche Strategien.
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Entsprechend wäre auch das besonders berühmte Beispiel eines unwahrscheinlichen Happy Ends zu lesen, nämlich die plötzliche Begnadigung Mackie Messers im dritten Akt der Dreigroschenoper von Bertolt Brecht und Kurt Weill. Wie Hannah Schoch argumentiert, der ich an dieser Stelle für diese Idee danke, ist das plötzliche Auftauchen des berittenen königlichen Boten, der Mackie nicht nur vor der Hinrichtung rettet, sondern ihn zudem in den Adelstand erhebt, weniger ein Zugeständnis an den kitschigen Geschmack der Zuschauer als vielmehr eine beunruhigende Zurschaustellung der Willkür der Macht: Wo Mörder plötzlich freigesprochen und geadelt werden, können auch Unschuldige unversehens und ohne Angabe von Gründen am Galgen enden.
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Zum Zusammenhang von Fantasie und Rückprojektionstechnik siehe Binotto 2013.
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Diese Selbstreferentialität wird noch dadurch gesteigert, dass das Happy End von Dark Passage in denselben Kulissen gefilmt wurde, die bereits für den Film Casablanca verwendet wurden. Für die Bestätigung dieser Vermutung danke ich an dieser Stelle ganz herzlich Thomas Meder.
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Zu untersuchen wäre in diesem Zusammenhang auch Delmer Daves’ eigenwilliges und virtuoses Spiel mit Rückprojektionen und Überblendungen am Ende seines Films Pride of the Marines (1945).
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Als Repräsentant dieses Sprungs, der das Happy End offen und damit wahr hält, wäre wohl auch jenes Loch zu interpretieren, welches der Protagonist Frank am Ende von Cowboy (1958) in die Wand des Hotelzimmers schießt. Indem er die damit die Geste seines Ziehvaters, des harten Cowboys Tom Reece vom Anfang des Film zitiert, beweist er seine endgültige Identifikation mit diesem. Zugleich aber steht das Loch in der Wand auch für all das, was in diesem Happy End fehlt, was auf dem Weg hierhin aufgegeben werden musste, wie etwa Franks unerfüllte Liebe zur Tochter eines mexikanischen Rinderbarons oder seine romantischen Vorstellungen des Lebens als Cowboy.
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Umso sprechender, dass die Macher des Remakes von 3:10 to Yuma von 2007 glaubten, ausgerechnet das Ende korrigieren zu müssen und das Happy End von Delmer Daves durch ein tragisches ersetzten. Gerade in dieser scheinbaren Radikalität erweisen sie sich als bloße Epigonen.
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Binotto, J. (2015). Die gesprungene Wahrheit: Jacques Lacan, Delmer Daves und das Happy End. In: Ritzer, I. (eds) Classical Hollywood und kontinentale Philosophie. Neue Perspektiven der Medienästhetik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-06620-8_7
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