Zusammenfassung
Die Verkehrspolitik ist angesichts des ungebrochenen Wachstums und der ungleichen Entwicklung der Sparten im Güterverkehr überfordert. Insbesondere der andauernde Niedergang des Eisenbahnverkehrs gefährdet nicht zuletzt die klimapolitischen Strategien Europas. Traditionell auf nationaler Ebene verfolgte Strategien („vermeiden, verlagern und verbessern“) wurden unglaubwürdig, weil der Verkehr im Zuge der Ausgestaltung des europäischen Binnenmarktes und einer weltmarktorientierten Reorganisation der Wirtschaft gewaltig zunahm. Die aktuelle Integrationsstrategie scheitert, weil sie bislang weitgehend erfolglos nahezu exklusiv auf marktbasierte Instrumente setzt. Mit Hilfe einer politischen Verkehrssoziologie werden dafür wesentliche Entwicklungen im Güterverkehrssystem unter Berücksichtigung der aufgewerteten privaten Akteure, der europäischen Politikebene und der Logistik-Innovation analysiert. Besondere Aufmerksamkeit gilt den engen Verbindungen von verkehrswissenschaftlichen Ansätzen und verkehrspolitischen Konzepten.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Notes
- 1.
In der Politikwissenschaft hat Wolfgang Abendroth seinen Ansatz einer politischen Soziologie u. a. damit begründet, dass jede gesellschaftliche Aktivität als politisch verstanden werden muss, die die Struktur der Gesellschaft und damit die Machtverteilung zwischen sozialen Gruppen verändern oder stabilisieren will (vgl. Abendroth 1967: 11).
- 2.
Susan Strange (1988) bezeichnete internationale Verkehrsregime als „sekundäre globale Machtstruktur“. Während diese in der Hochseeschifffahrt Kapitalgruppen der entwickelten Industrieländer des Nordens privilegierte, wirkte sie in der Luftfahrt zugunsten staatlicher Gesellschaften in Süd und Nord.
- 3.
In den USA profitierte der Eisenbahngüterverkehr im Gegensatz zu Europa vom relativen Wachstum des internationalen Verkehrs, weil die Eisenbahnen als Landbrücken bis heute das über die Vereinigten Staaten abgewickelte (Container-) Aufkommen zwischen Südostasien und Europa bewältigen.
- 4.
Das heißt jedoch nicht, dass die Europäische Verkehrspolitik gänzlich ohne Berücksichtigung militärpolitischer Zusammenhänge verständlich sei. Sowohl die Entwicklung des Airbus als auch die Entwicklung des Europäischen Satellitennavigationssystems Galileo dien(t)en explizit auch militärpolitischen Unabhängigkeitsbestrebungen der Europäischen Staatengemeinschaft.
- 5.
- 6.
Solche Maßnahmen wurden im Übrigen bereits von Adam Smith im Interesse der britischen Wirtschaftsentwicklung unterstützt (vgl. Reich 1992: 19 zu den „Navigation Acts“).
- 7.
„Der Logistikmarkt wächst seit 2002 mit durchschnittlich 3,9 % in Deutschland fast doppelt so schnell wie die Gesamtwirtschaft (2,0 %).“ (Matschiner und Zillmann 2013).
- 8.
Der alternative Begriff des „Effizienzmonopols“ ist insofern zu bevorzugen, als er auf ökonomische Überlegungen anstelle der Natur rekurriert.
- 9.
Als „positiv“ wird die auf Arbeiten der Chicago-School sowie der Institutionenökonomik beruhende Analyse der Regulierungsentwicklung auf der Basis von Angebot und Nachfrage nach staatlicher Intervention beschrieben. Grob vereinfacht wird die Entstehung und (Fehl-)Entwicklung von staatlicher Regulierung auf die „Eroberung“ von Regulierungsbehörden durch die von ihnen angeblich regulierten Interessengruppen zurückgeführt. Protektions- und Eigeninteressen von Politikern wirken dabei in Formen zusammen, die Wettbewerb beschränken und Transfers zu Lasten der Allgemeinheit bewirken. Zu Hintergründen und Kritik der neoliberalen Regulierungstheorie vgl. Plehwe (2000a) und Lüthje (1993).
- 10.
Vgl. das Gutachten der International Road Union zum „externen Nutzen“ des Güterverkehrs, welcher mit den „externen Kosten“ zu verrechnen sei (Aberle und Engel 1993). Verkehrsökonomen und Ökologen weisen demgegenüber darauf hin, dass der reklamierte „externe Nutzen“ als normaler Markteffekt zu erachten ist (vgl. Sommer 1993; Hey 1998: 168).
Literatur
Aberle, Gerd. 1996. Transportwirtschaft. In Einzelwirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Grundlagen. München: Oldenbourg.
Aberle, Gerd. 2009. Transportwirtschaft. München: Walter de Gruyter.
Aberle, Gerd, und Michael Engel. 1993. The social benefits of the long-distance road transport of goods. Genf. Gießen: Justus-Liebig-Universität.
Abendroth, Wolfgang. 1967. Antagonistische Gesellschaft und politische Demokratie Neuwied/Berlin.
Aglietta, Michel. 1979. A theory of capitalist regulation. The US experience. London: New Left Books.
Artous, Antoine, und Patrice Salini. 2005. Les opérateurs Européens de fret et la mondialisation. Rapport No. 264. Arcueil.
BIEK – Bundesverband internationaler Express- und Kurierdienste. 2013. Motor für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung – KEP-Studie. Berlin.
Bjelicic, Borislav. 2002. Der Wandel der Unternehmensstrukturen in der globalen Verkehrswirtschaft. In Logistik und Verkehrswirtschaft im Wandel, Hrsg. Helmut Merkel und Borsilav Bjelicic, 291–306. München: Vahlen.
Bjelicic, Borislav 1990. Internationaler Unternehmenswettbewerb im gewerblichen Güterverkehr. München: Huss-Verlag.
Bukold, Stefan. 1996. Kombinierter Verkehrs Schiene/Straße in Europa. Frankfurt a. M.: Lang.
Chandler, Alfred D. 1977. The Visible Hand. Cambridge: Havard University Press.
Clausen, Uwe, und Christiane Geiger, Hrsg. 2013. Verkehrs- und Transportlogistik. Berlin: Springer.
Danckwerts, Dankwart, Hrsg. 1991. Logistik und Arbeit im Gütertransportsystem. Rahmenbedingungen, Verlaufsformen und soziale Folgen der Rationalisierung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Dörrenbächer, Christoph. 2003. Corporate reorganisation in the european transport and logistic sector in the 1990ies. Diversification, internationalisation and integration. Münster: Lit Verlag.
EEA – European Environment Agency. 2006. Transport and environment: Facing a dilemma, European Environment Agency Report 3, www.eea.europa.eu/publications/eea_report_2006_3/at_download/file. Zugegriffen am 23.12.2013.
Gabel, Landis, und Lars-Hendrik Röller. 1992. Trade liberalization, transportation, and the environment. Energy Journal 3:185–206.
Harvey, David. 1989. The condition of postmodernity. Cambridge/Oxford: Blackwell Publishers.
Hesse, Markus. 2006. Logistikimmobilien: von der Mobilität der Waren zur Mobilisierung des Raumes. DISP: the planing review 4:41–45.
Hey, Christian. 1998. Nachhaltige Mobilität in Europa. Akteure, Institutionen und politische Strategie. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Ihde, Gösta B. 1991. Transport, Verkehr, Logistik. München: Vahlens.
Kille, Christian, und Martin Schwemmer. 2012. Die Top 100 der Logistik 2012/2013. Nürnberg: Fraunhofer SCS.
KOM – Kommission der Europäischen Union. 2013. EU transport in figures. Statistical Pocket Book 2013. Luxemburg.
KOM – Kommission der Europäischen Union. 2012. Grünbuch. Ein integrierter Paketzustellungsmarkt für das Wachstum des elektronischen Handels in der EU, 698. Brüssel.
KOM – Kommission der Europäischen Union. 2011. Weißbuch. Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem, 144. Brüssel.
KOM – Kommission der Europäischen Union. 2009. EU Energy and Transport in Figures. Statistical Pocket Book 2009. Luxemburg.
KOM – Kommission der Europäischen Union. 2006. Für ein mobiles Europa – Nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent. Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch der Europäischen Kommission von 2001, 314. Brüssel.
KOM – Kommission der Europäischen Union. 2002. European Union Energy and Transport in Figures. Statistical Pocket Book 2002. Luxemburg.
KOM – Kommission der Europäischen Union. 2001. Weißbuch. Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft, 370. Brüssel.
KOM – Kommission der Europäischen Union. 1997. White paper on sectors and activities excluded from the working time directive, 334. Brüssel.
Krätke, Michael R. 1997. Globalisierung und Standortkonkurrenz. Leviathan 2:202–231.
La Londe, Bernard J., John R. Grabner, und James F. Robeson. 1993. Integrated distribution systems: A management perspective. International Journal of Physical Distribution & Logistics Management, 5:4–12.
Langhagen-Rohrbach, Christian. 2012. Moderne Logistik – Anforderungen an Standorte und Raumentwicklung. Raumforschung und Raumordnung. Springer, 3:217–227.
Lichtenstein, Nelson. 2005. Wal-Mart: Template for 21st century capitalism? New Labor Forum 1:21–30.
Lüthje, Boy. 1993. Die Neuordnung der Telekommunikationsindustrie in den USA. Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag.
Marx, Karl. 1983a. Das Kapital, Bd. II. Berlin: Dietz Verlag.
Marx, Karl. 1983b. Das Kapital, Bd. III. Berlin: Dietz Verlag.
Matis, Herbert, und Dieter Stiefel. 1995. Das Haus Schenker: die Geschichte der internationalen Spedition 1872-1931. Wien: Ueberreuter.
Matschiner, Markus, und Mario Zillmann. 2013. Branchendossier Logistik und Transport 2013. Kaufbeuren: Lünendonk.
Murphy, Craig N. 1994. International organization and industrial change. Cambridge: Oxford University Press.
Okholm, Henrik B., Martin H. Thelle, Bruno Basalisco, und Signe Rølmer. 2013. E-commerce and delivery. A study of the state of play of EU parcel markets with particular emphasis on e-commerce, Copenhagen Economics. Brüssel: Europäische Kommission.
Plehwe, Dieter. 1997. Eurologistik, „Europäische“ Verkehrspolitik und die Entwicklung eines transnationalen (Güter-)Transportsystems. Prokla 107:217–244.
Plehwe, Dieter. 2000a. Deregulierung und transnationale Integration der Transportwirtschaft in Nordamerika. Münster: Reder.
Plehwe, Dieter. 2000b. Neue Horizonte transnationaler Integration: Die Entwicklung von grenzüberschreitenden Logistiknetzwerken. In Die Konfiguration Europas. Dimensionen einer kritischen Integrationstheorie, Hrsg. Hans-Jürgen Bieling und Jochen Steinhilber, 276–303. Münster.
Plehwe, Dieter. 2000c. Neue Multis als transnationale Vernetzungsunternehmen. In Grenzenlose Kontrolle? Organisatorischer Wandel und politische Macht multinationaler Unternehmen, Hrsg. Claus Dörrenbächer und Dieter Plehwe, 111–147. Berlin: Edition Sigma.
Plehwe, Dieter. 2001. Arbeitspolitische Probleme ungleicher Reorganisation. Zur Veränderung der Arbeit in Logistiknetzwerken. Industrielle Beziehungen, 1:55–82.
Plehwe, Dieter. 2002. Europäische Universaldienstleistungen zwischen Markt und Gemeinwohl. In Gemeinwohl – Auf der Suche nach der Substanz, Hrsg. Gunnar Folke Schuppert und Friedhelm Neidhardt, 389–420. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin.
Plehwe, Dieter, Hans Uske, Hermann Völlings, und Arnd Dalbeck. 1998. Die Logistikbranche im Umbruch. Arbeit und Mitbestimmung in einem sich wandelnden Dienstleistungsbereich. Duisburg: RISP.
Plehwe, Dieter, und Stefano Vescovi. 2003. Beyond National Coherence: the Political Re-Grouping of Göttingen, European Companies. In Globalisation and Institutions – Redefining the Rules of the Economic Game, Hrsg. Marie-Laure Djelic und Sigrid, 193–219. Cheltenham: Edgar Elgar.
Plehwe, Dieter, und Katja Walther. 2007. Transformation Europäischer Governance: (Europa)Rechtliche Dimensionen. Eine vergleichende quantitative Analyse heterogener Europäisierungsprozesse im Politikfeld Verkehr, Discussion Paper SP III 2007-201. Berlin: Wissenschaftszentrum Berlin.
Rall, Wilhelm. 1986. Globalisierung von Industrien und ihre Konsequenzen für die Wirtschaftspolitik. In Probleme der Stabilitätspolitik, Hrsg. Helmut Kuhn, 152–174.
Rammler, Stephan. 2001. Mobilität in der Moderne. Geschichte und Theorie der Verkehrssoziologie. Berlin: Edition Sigma.
Reich, Robert. 1992. The work of nations. New York: Vintage Press.
Schoemaker, Jarl, Aaron Scholtz, und Riccardo Enei. 2012. Towards low carbon transport in Europe. Transport research and innovation portal. Luxemburg: Europäische Union.
Schmied, Martin, Kirsten Havers, Wiebke Zimmer, Kirsten Schmidt, Manuel Goerke, und Oliver Schlüter. 2007. Nachhaltige Mobilität durch Innovation im Güterverkehr. Endbericht zum Forschungsvorhaben im Auftrag des Bundesministeriums Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. http://www.oeko.de/oekodoc/372/2007-021-de.pdf. Zugegriffen am 10.12.2013.
Scharpf, Fritz. 1999. Föderale Politikverflechtung: Was muss man ertragen – was kann man ändern? MPIFG Working Paper. Köln.
Schöller, Oliver. 2006. Mobilität im Wettbewerb. Möglichkeiten und Grenzen einer integrierten Verkehrspolitik im Kontext deregulierter Verkehrsmärkte. Düsseldorf: Wissenschaftszentrum Berlin.
Schulte, Christof. 1995. Logistik. München: Vahlen.
Sombart, Werner. 1969. Der Moderne Kapitalismus, Bd. 2. Berlin: Dietz.
Sommer, Heini. 1993. Externe Nutzen des Verkehrs – Wissenschaftliche Grundlagen. Nationales Forschungsprogramm Stadt und Verkehr, Bericht 39. Zürich: NFP.
Sönnichsen, Lorenz. 1991. Ohne Staat ist in Europa auch künftig kein Verkehr zu machen. Deutsche Verkehrszeitung 149: 3.
Smith, Adam.1999. Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.
Stabenau, Hanspeter. 1997. New logistics trends. In Roundtable 104, New Trends of Logistics in Europe, Hrsg. European Conference of Ministers of Transport, 9–34. Paris.
Strange, Susan. 1988. States and markets. An introduction to international political economy. London: Bloomsbury Academic.
UIRR – International Union for road-rail combined transport. 2013. Report 2012-13 European Road-Rail Combined Report. Brüssel: Europäische Union.
Voigt, Fritz. 1973. Verkehr, Bd. 1. Berlin.
Weingart, Peter. 2001. Die Stunde der Wahrheit? Vom Verhältnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft. Weilerswist: Velbrück Verlag.
Wolf, Winfried. 1992. Eisenbahn und Autowahn. Hamburg/Zürich: Rasch und Röhring.
World Trade Organisation – WTO. 2013. International trade statistics 2013. http://www.wto.org/english/res_e/statis_e/its2013_e/charts_e/chart03.pdf. Zugegriffen am 23.12.2013.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2016 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Plehwe, D. (2016). Güterverkehr und Logistik: Zielkonflikte nachhaltigen Wachstums im Straßen- und Schienenverkehr. In: Schwedes, O., Canzler, W., Knie, A. (eds) Handbuch Verkehrspolitik. Springer NachschlageWissen. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04693-4_16
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-04693-4_16
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-04692-7
Online ISBN: 978-3-658-04693-4
eBook Packages: Social Science and Law (German Language)