Zusammenfassung
In den Diskursen der Transitional Justice spielt die Geschichte der westlichen Besatzungsherrschaft und der Bundesrepublik Deutschland bis heute eine herausgehobene Rolle, dies nicht zuletzt aufgrund des spezifischen Umgangs mit NS-Massenkriminalität und der dabei zu Tage tretenden Dominanz rechtlicher und semi-rechtlicher Aufarbeitungsmechanismen. Der Beitrag fragt nach den institutionellen und normativen Voraussetzungen dieses Prozesses und beschäftigt sich mit den Auswirkungen für die politische Kultur, die Erinnerungskultur und die Geschichtsschreibung. Am Beispiel der Ludwigsburger Stelle zur Aufklärung schwerer NS- und Kriegsverbrechen wird zudem die These überprüft, inwiefern diese Institution und die durch sie eingeführten Methoden der juristischen und historischen Wahrheitserforschung als eine „Transitional Justice“-Einrichtung avant la lettre betrachtet werden können.
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Weinke, A. (2017). Die Bundesrepublik Deutschland – ein Fall von Transitional Justice avant la lettre?. In: Mihr, A., Pickel, G., Pickel, S. (eds) Handbuch Transitional Justice. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02994-4_18-1
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