Zusammenfassung
Das System der kollektiven Arbeitsbeziehungen bildet eine der konstitutiven Säulen der Governance von Erwerbsarbeit. In der Blütezeit des Fordismus, den späten 1960er und frühen 1970er Jahren, handelten Gewerkschaften als gesellschaftliche Organisationen, welche Arbeitnehmerinteressen umfassend auf der politischen, tariflichen und betrieblichen Bühne zu vertreten beanspruchen, mit den Arbeitgeberverbänden branchenweit gültige Flächentarifverträge aus. In ihnen wurden betriebsübergreifend und mit hoher allgemeiner Verbindlichkeit zentrale Mindeststandards der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen festgelegt. Den Betriebsparteien – Management und Betriebsrat – oblag nach diesem idealtypischen Leitbild die betriebsspezifische Operationalisierung dieser überbetrieblichen Vereinbarungen sowie die Aushandlung weiterer „Anwendungsbedingungen von Arbeitskraft“ (Müller-JentschSoziologie der industriellen Beziehungen. Frankfurt: Campus., 195). Hierzu zählen im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung, die den Betriebsräten gesetzliche Mitbestimmungsrechte einräumt, Arbeitszeitmodelle, Entlohnungs- und Eingruppierungsgrundsätze, Einstellungen und Entlassungen etc. Insgesamt lässt sich für dieses klassische Modell der deutschen Arbeitsbeziehungen eine klare Arbeitsteilung zwischen den überbetrieblichen und betrieblichen Akteuren und Regelungsinstrumenten mit einem interessenpolitischen Primat von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden konstatieren.
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Dombois, R., Holtrup, A. (2015). Machtzentren der Mitbestimmung. Betriebsräte in der Multi-Arenen-Perspektive. In: Dingeldey, I., Holtrup, A., Warsewa, G. (eds) Wandel der Governance der Erwerbsarbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-01238-0_8
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