Zusammenfassung
Soziale Bewegungen sind Protestbewegungen, die innerhalb der Gesellschaft diese als Ganzes, sie also aus ihr von innen heraus und gleichermaßen von einer trotzdem außenstehenden, distanzierten Position beobachten (vgl. Scholl 2009). Soziale Bewegungen üben Kritik an bestimmten gesellschaftlichen Entwicklungen und thematisieren die Verfasstheit der Gesellschaft insgesamt. Weniger beobachtungstheoretisch als eher handlungstheoretisch formuliert geht es sozialen Bewegungen um politische Partizipation im Besonderen, also um die Partizipation bei bestimmten gesellschaftlichen Problemen, wie im Allgemeinen um eine „umfassende Demokratie“ (Fotopoulos 2003) bzw. um Demokratisierung von Gesellschaft überhaupt (vgl. Hirsch 2006). Insofern wohnt jeder sozialen Bewegung, also auch den weniger radikal eingestellten oder handelnden Bewegungen, ein anarchistischer Kern inne, der auf den Abbau von Hierarchien und von Herrschaft abzielt oder dies unabsichtlich und nebenbei bewirkt. Dabei werden fast immer auch alternative Formen der bewegungsinternen kommunikativen Selbstverständigung erprobt (vgl. Burnicki 2002). Selbstverständlich kann man rechtsradikale und auch viele linksradikale Bewegungen nicht umstandslos als ‚anarchistisch‘ bezeichnen, da ihre Ziele und Strategien politisch oft ganz anders gelagert sind und nicht auf den Abbau von Herrschaft, sondern auf die Errichtung einer eigenen Herrschaft ausgerichtet sind.
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Scholl, A. (2013). Die Gegenöffentlichkeit sozialer Bewegungen: Zwischen strategischer Kommunikation und Verständigungsorientierung. In: Röttger, U., Gehrau, V., Preusse, J. (eds) Strategische Kommunikation. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-00409-5_9
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