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Professionalität in der Beratung – erwachsenenbildnerische Analysen und Reflexionen

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Engagement für die Erwachsenenbildung

Zusammenfassung

Die Erforschung professionellen Beratungshandelns lässt sich aus zweierlei Perspektive unternehmen. Kompetenztheoretisch1 wird sich an den in Kompetenzkatalogen festgehaltenen Kategorien orientiert (z.B. personale, prozessuale, organisationale Elemente; vgl. Schiersmann u.a. 2008: 38ff.), während in der differenztheoretischen Perspektive2 die interaktive Ausgestaltung und deren bedingende Elemente (z.B. Kernprobleme, Paradoxien; vgl. Riemann 2000, Maier-Gutheil 2009) fokussiert werden (vgl. Nittel 2000: 73ff.). Dem differenztheoretischen Verständnis folgend, wird Professionalität hier als „struktureller Ort der Vermittlung von Theorie und Praxis“ definiert (Oevermann 1996: 79f.), als die verflüssigte Verbindung von Wissen und Können (vgl. Nittel 2002: 256).3 Charakteristisch für Beratungsinteraktionen ist, dass die faktischen (Arbeits-)Situationen ungleich komplexer sind, als das (wissenschaftliche und Erfahrungs-)Wissen, welches den jeweiligen Akteuren für die Bearbeitung zur Verfügung steht (vgl. Kurtz 1998: 111). Die Beratungssituation wird von widerstreitenden Anforderungen auf unterschiedlichen Ebenen bestimmt (Handlungs-, Wissens- und Beziehungsebene), so dass die professionell Tätigen es mit Kernproblemen und Paradoxien zu tun haben, die es im Sinn professionellen Handelns auszubalancieren gilt (vgl. Schütze 1996: 187ff. und 2000: 49ff.). Dabei können sich diese nicht auflösbaren und widersprüchlichen Handlungsprobleme in unterschiedlichen Beratungshandlungsfeldern graduell unterscheiden (s.u.). Da pädagogische (Beratungs-)Arbeit immer auch Beziehungsarbeit ist, gibt es keine technologisierbaren Abläufe im Sinne kausaler Zusammenhänge zwischen pädagogischer Aktivität und Aneignung (vgl. Gieseke 2002: 205).4 Die in der Konsequenz notwendige Erforschung professionellen Beratungshandelns in situ, hat Wiltrud Gieseke bereits im Jahr 2000 angemahnt und Studien „zu Prozess- und Interaktionsverläufen von Beratung“ gefordert (Gieseke 2000: 11; vgl. auch Gieseke u.a. 2007). Dieser Forderung ist sie selbst nachgekommen, indem sie mit ihrer Dreier-Typisierung von Weiterbildungsberatung (s.u.) zentrale Impulse für weitere Studien gesetzt hat. Seitdem sind zwar einige gesprächsanalytische Arbeiten entstanden, die sich jedoch nicht primär mit dem Phänomen Professionalität auseinandersetzen, sondern unterschiedliche Beratungsformate in ihrer jeweiligen Struktur rekonstruieren (vgl. exemplarisch Müller 2005; Pörtner 2006; vgl. die Übersicht in Maier- Gutheil 2012). Dem Aspekt pädagogischer Professionalität in Beratungsinteraktionen trägt hingegen die interaktionsanalytische Studie „Zwischen Beratung und Begutachtung“ (Maier-Gutheil 2009) explizit Rechnung.

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Notes

  1. 1.

    Problematisch ist daran, dass die performative Ebene, also die Seite des situativen und konkreten Handelns nicht in das Blickfeld gerät und der mit diesem Zugang intendierte normative Anspruch an professionelles pädagogisches Handeln nicht am Beispiel tatsächlicher Arbeitsinteraktion gefüllt wird (vgl. Nittel 2000: 74).

  2. 2.

    Der differenztheoretische Ansatz beobachtet das aus den die (Arbeits-)Interaktion bedingenden Faktoren resultierende Spannungsverhältnis, da generalisiertes und abstraktes Wissen in der jeweiligen Interaktion einerseits fallspezifisch angewendet werden und andererseits der individuelle Fall hinsichtlich seiner verallgemeinerbaren Problembestandteile betrachtet werden muss. Hier interessieren demnach die Kernprobleme, Paradoxien und damit einhergehenden Fehlerquellen (vgl. Hughes 1971: 316).

  3. 3.

    Zur Differenzierung der vier unterschiedlichen professionstheoretischen Positionen (machttheoretisch, systemtheoretisch, strukturtheoretisch und interaktionistisch) vgl. Maier- Gutheil (2009: 53).

  4. 4.

    In der Konsequenz bedeutet das, die Perspektive der Klient/inn/en auf Beratungsinteraktionen ebenfalls in die Analyse mit einzubeziehen, beispielsweise durch entsprechende (zeitversetzte) Befragungen, um etwa Form der Beziehung und Beratungserfolg miteinander zu relationieren oder den Entscheidungsprozess weiter zu verfolgen (vgl. Gieseke u.a. 2007: 33 und 40).

  5. 5.

    Vgl. zur Abgrenzung der Handlungsformen Informieren, Beraten und Anleiten Knoll (2008: 20).

  6. 6.

    Wenn ich hier von Anforderungen spreche, meine ich die sich im alltäglichen Handeln vollziehenden Ansprüche an die Professionellen, wie sie sich in Form von Problemstellungen anhand entsprechender Sequenzanalysen von Aktualtexten, narrativen Interviews oder Gruppendiskussionen rekonstruieren lassen. Im Vordergrund steht das Erkennen solcher fallspezifischen wie auch fallübergreifenden, eben handlungsfeldtypischen Probleme und deren – je nachdem – gelungene oder misslungene Bearbeitung. Es geht hier nicht um ein Entlarven der Fehler professionell Handelnder, sondern um das Identifizieren von, das Handeln bestimmenden, Kernproblemen, die sich als Störungen im Ablauf oder „Verwerfungen“ im Datenmaterial zeigen (vgl. Riemann 2000: 315). Das macht den differenztheoretischen Zugang aus.

  7. 7.

    Es bleibt jedoch offen, ob diese Probleme den Berater/inne/n als Person zugeschrieben werden oder ob damit für das Handlungsfeld typische sowie allgemeine Störpotenziale gemeint sind (vgl. Schütze 1996: 193f.).

  8. 8.

    Dies schlägt sich auch in Phasenmodellen und Ablaufstrukturen von Beratung wieder, die mehr oder weniger explizit auf die Praktik der Ermittlung verweisen (vgl. Thiel 2003: 75ff.; vgl. für die interaktionsanalytischen Arbeiten Müller 2005: 231; Maier-Gutheil 2009: 88).

  9. 9.

    Der soziale Rahmen von Existenzgründungsberatung beinhaltet zum Beispiel als Klassifikationssystem zur Entwicklung von Typenkategorien aufgrund der – neben der Beratung zugleich auch – Gutachterfunktion ein binäres Schema, da es förderungswürdige oder nicht-förderungswürdige Fälle gibt (vgl. Maier-Gutheil 2009: 195).

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Maier-Gutheil, C. (2013). Professionalität in der Beratung – erwachsenenbildnerische Analysen und Reflexionen. In: Käpplinger, B., Robak, S., Schmidt-Lauff, S. (eds) Engagement für die Erwachsenenbildung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-19116-4_16

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