Dekolonialer Humanismus. Achille Mbembe und Felwine Sarr entwerfen Utopien für eine kommende Welt

Zusammenfassung

Die Entstehung globaler Literatur speist sich seit jeher auch aus einem Denken, das in ähnliche Richtung driftet: dass die Menschen in ihren Unterschieden sieht, zugleich aber auch Gemeinschaft denken will. Für den Humanismus der Renaissance und seine literarischen Entwürfe gilt dies ebenso wie für das parallele Vorkommen von Ansätzen der Weltliteratur nach 1800 und den idealistischen Universalismus. Aktuelle Varianten dieser Paarung entwickeln sich unter Stichworten wie Dekolonialismus und Afropolitanismus. Der Beitrag sichtet zwei theoretische Ansätze aus diesem Zusammenhang, die sich - ähnlich wie die älteren Bewegungen des Panfrikanismus und der Négritude - gleichermaßen auf den Humanismus, also ein traditionelles europäisches Konzept beziehen und dieses mit neuem Leben füllen wollen: Gemeint sind Achille Mbembes dystopische Überlegungen, die als differenztheoretisch modifizierter Humanismus beschrieben werden können, und Felwine Sarrs Vorstellung von einer humanitären Afrotopia. Die Literatur spielt in beiden Ansätze eine besondere, bislang aber noch wenig ausgearbeitete Rolle: Literatur transportiert Mythen und stiftet Erzählungen, die nicht nur die afrikanischen, sondern alls Kulturen der Welt zusammenbringen können. Sie erscheinen damit einerseits als Wahrnehmungs- und Darstellungsformen aus eigenem Recht, zum anderen aber werden sie für den jeweils eigenen Ansatz funktionalisiert, das ‚Projekt Afrika‘ neu zu denken.