Zusammenfassung
Die Forschung zum Denken des Religionsphilosophen Martin Buber (1978–1965) kommt übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass sein Werk vielfältige Verbindungslinien zur Soziologie Georg Simmels aufweist, der neben Wilhelm Dilthey Bubers wichtigster akademischer Lehrer war und ihn nachhaltig angeregt hat. Biographisch lassen sich die Berührungspunkte auf Bubers Studienjahre an der Berliner Universität zurückverfolgen, wo er zwischen 1898 und 1901 mehrere Lehrveranstaltungen Simmels besuchte, darunter insbesondere soziologische Vorlesungen, die später in dessen Werk Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung (1908) einflossen. Spuren der von Simmel ausgehenden Anregungen finden sich in Bubers frühen soziologischen Überlegungen ebenso wie in seiner Dialogphilosophie seit den 1920er Jahren und seinen religionsphilosophischen und ethischen Reflexionen über eine geistige Erneuerung des Judentums. Es ist jedoch nicht von einer linearen Abhängigkeit Bubers von Simmel auszugehen, sondern von einem komplexen Verhältnis von Anknüpfung, Umdeutung und Differenz. Greifbar ist das etwa in Bubers zuspitzender Rezeption der religionssoziologischen Unterscheidung von „Religiosität“ und „Religion“, die Simmel 1906 in seiner Schrift Die Religion vornahm. Buber richtete diese Differenzierung kritisch gegen die rabbinische Tradition und das Christentum, die er als starre, passive Gebilde aus Riten und Denkgebäuden wahrnahm, während er „Religiosität“ als schöpferische Urkraft des Judentums, als dessen dynamische, lebendige, ethisch aktive Lebenshaltung verstand.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Similar content being viewed by others
Literatur
Buber, Martin: Briefwechsel aus sieben Jahrzehnten. Hg. von Grete Schaeder. Bd. 1: 1897–1918. Heidelberg 1972.
Buber, Martin: Drei Reden über das Judentum. In: Martin Buber Werkausgabe. Bd. 3: Frühe jüdische Schriften 1900–1922. Gütersloh 2007, 219–259.
Buber, Martin: Jüdische Religiosität. In: Martin Buber Werkausgabe. Bd. 2,1: Mythos und Mystik. Frühe religionswissenschaftliche Schriften. Gütersloh 2013, 204–215.
Buber, Martin: Geleitwort zur Sammlung [1906]. In: Martin Buber Werkausgabe. Bd. 11,1: Schriften zur politischen Philosophie und zur Sozialphilosophie. Teilband 1: 1906–1938. Gütersloh 2019, 101–107.
Kohn, Hans: Martin Buber. Sein Werk und seine Zeit. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte Mitteleuropas 1880–1930. Köln 21961.
Kreß, Hartmut: Religiöse Ethik und Dialogisches Denken. Das Werk Martin Bubers in der Beziehung zu Georg Simmel. Gütersloh 1985.
Mendes-Flohr, Paul: From Mysticism to Dialogue: Martin Buber’s Transformation of German Social Thought. Detroit 1989.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2021 Springer-Verlag GmbH Deutschland
About this chapter
Cite this chapter
Wiese, C. (2021). Martin Buber. In: Bohr, J., Hartung, G., Koenig, H., Steinbach, TF. (eds) Simmel-Handbuch. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05760-0_45
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-05760-0_45
Published:
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
Print ISBN: 978-3-476-05759-4
Online ISBN: 978-3-476-05760-0
eBook Packages: J.B. Metzler Humanities (German Language)