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Tokarczuk, Olga: Bieguni

  • Living reference work entry
  • First Online:
Kindlers Literatur Lexikon (KLL)
  • 18 Accesses

Zusammenfassung

Das 2007 erschienene umfangreiche Werk, von der Autorin „Konstellationsroman“ genannt, besteht aus zahlreichen Handlungssträngen, fragmentarischen Notizen, Fabeln und essayistischen Reflexionen. Da die Welt in disparate und changierende Teile zerfalle, kann sie nach Tokarczuk nur in Momentaufnahmen aus unterschiedlichen Blickwinkeln festgehalten und nicht mehr in einer linearen kausalen Handlungskette mitgeteilt werden. Tokarczuk erzählt so von einem Mann, dessen Frau im Urlaub in Kroatien unter mysteriösen Umständen verschwindet; von einer australischen Forscherin polnischer Herkunft, die nach vielen Jahren in ihre Heimat zurückkehrt, um einem Freund Sterbehilfe zu leisten; von einer Russin aus Moskau, die ihre Familie verlässt, weil sie – wie die orthodoxen Altgläubigen – zu erkennen meint, dass die Welt gegen das Böse nur durch die ständige Bewegung eines Menschen zu retten ist. Neben solchen Geschichten steht auch Skurriles: die Beschreibung einer Sammlung von konservierten menschlichen Organen, und Poetisches: der Bericht von der Seefahrt eines Altertumsforschers. All diese disparaten Welt-Abbilder werden gleichsam eingerahmt von gelegentlichen Aufzeichnungen von Vorträgen, die auf verschiedenen Flughäfen von modernen Nomaden-Philosophen gehalten werden und in denen über Bewegung, Reisen und Pilgerfahrten, über das Nomadenhafte, das Periphere und Unentdeckte reflektiert wird. In diesen Vorträgen wird jegliche Stabilität von Welt und menschlicher Existenz in Frage gestellt und deren notwendige Offenheit als Folge einer aus den Fugen geratenen Welt behauptet. Eine solche ‚Reisepsychologie‘ gipfelt in einer Erzählhaltung, die für die Autorin die einzig glaubwürdige und angemessene ist: Sie demonstriert den Menschen in ständiger Bewegung. „Wohin wir auch reisen, wir reisen immer darauf zu.“ Die großen Konzeptionen: Fortschritt, Wissenschaft, die Meistererzählungen der überkommenen Welt werden von Tokarczuk mittels einer unkonventionellen Kompositionstechnik dekonstruiert: als Textcollage vielfältigster Lebensgeschichten, abartiger, unvollkommener oder defekter Erscheinungen. Ein Netz verwandter Motive sorgt wie die Links im Internet für weiteren Zusammenhalt.

Ursprünglich veröffentlicht unter © J.B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH

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Żyliński, L. (2021). Tokarczuk, Olga: Bieguni. In: Arnold, H.L. (eds) Kindlers Literatur Lexikon (KLL). J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05728-0_21903-1

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  • Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart

  • Print ISBN: 978-3-476-05728-0

  • Online ISBN: 978-3-476-05728-0

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