Spener, Philipp Jacob: Pia desideria oder Hertzliches Verlangen / Nach Gottgefälliger Besserung der wahren Evangelischen Kirchen / sampt einigen dahin einfältig abzweckenden Christlichen Vorschlägen

Zusammenfassung

Der erste Teil der 1675 erschienenen pietistischen Programmschrift beleuchtet den verderbten Zustand der evangelischen Kirche. Im zweiten Teil gibt Spener der Hoffnung auf eine Besserung Ausdruck, der dritte Teil enthält seine Reformvorschläge: 1. Die Forderung nach Intensivierung des Bibelstudiums vor allem durch Einrichtung von ‚collegia pietatis‘ zur brüderlichen Unterredung der Laien über das Wort der Schrift; diese sollen die herkömmlichen Formen kirchlicher Wirksamkeit nicht auflösen, sondern verbessern. 2. Die Forderung nach Erneuerung der Lehre vom allgemeinen Priestertum; damit setzt Spener den reformatorischen Ansatz Luthers fort, entspricht aber zugleich dem in der kirchenkritischen Anklageliteratur des Spiritualismus artikulierten Mündigkeitsverlangen der Laien, denen die Strukturen des Obrigkeits- und Amtskirchentums nicht mehr genügten. 3. Im Gegensatz zur lutherischen Orthodoxie legt Spener Nachdruck auf die „praxis pietatis“; das Wissen um die reine Lehre reiche nicht aus, es bedürfe der wahren Buße und eines Lebens in der Heiligung. 4. Seine ökumenische Gesinnung demonstriert Spener mit der Mahnung, die aus konfessioneller Selbstgenügsamkeit resultierenden „Religionsstreitigkeiten“ durch brüderliche Liebe zu überwinden. 5. Da das Predigeramt die Hauptverantwortung für die „Besserung der Kirche“ trage, verlangt er eine zweckmäßigere, auf die Anforderungen der Praxis, besonders der Predigt und der Seelsorge, ausgerichtete theologische Ausbildung. 6. Unter Hinweis auf Johann Arndt rät Spener zu einer von bloßer Rhetorik freien, erbaulichen Predigtweise.

Ursprünglich veröffentlicht unter © J.B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH