Zürn, Unica: Das Haus der Krankheiten

Zusammenfassung

Der von Unica Zürn mit „erklärenden Zeichnungen“ versehene, postum 1986 erschienene Krankheitsbericht entstand 1958 während eines Fiebers, das als psychisches Störungserlebnis begriffen wird und nachhaltig die Wahrnehmung verschiebt. Durch die Erfahrung der Krankheit entdeckt die Ich-Erzählerin eine „neue Blickrichtung“, aus der ihr das Unerwartete zu kommen scheint. „Wenn mich nur keiner in meiner Blickrichtung störte.“ Während sich die Perspektive der Ich-Erzählerin im fiebernden Zustand verengt, sieht sie sich von inneren Bildern ergriffen, die sie als Krankheitsgewinn auffasst. Denn diese halluzinatorischen Bilder geben Aufschluss über die Geschichte vor und nach der Erkrankung. Ein Bild entfaltet sich aus dem nächsten. Der (erkrankte) Körper erscheint der Erzählerin als ein Haus mit Räumen, das begehbar wird: Ihr Weg führt sie von den Kammern der Hände über den Saal der Bäuche und die Busenstube bis zum Zimmer der Augen. Durch die Vorstellung, sich in einem Haus zu bewegen, der ein Körper ist, erhalten die halluzinatorischen Eindrücke und Wunschvorstellungen eine Konstruktion, die abgeschritten und affektiv besetzt, aber auch punktuell umgangen und ausgespart werden kann.

Ursprünglich veröffentlicht unter © J.B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH