Viertel, Berthold: Das lyrische Werk

Zusammenfassung

Der Theater- und Filmregisseur Viertel hat nahezu sein ganzes Leben lang Gedichte geschrieben. Rund 450 davon sind publiziert; in seinem Nachlass im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar befinden sich jedoch mehr als 100 Mappen mit Sammlungen von Gedichten und Gedichtentwürfen aus der Zeit von 1900 bis 1953. In der Zeitschrift Die Fackel seines Mentors und Freundes Karl Kraus erschienen 1910 Gedichte Viertels erstmals im Druck; Veröffentlichungen im Simplicissimus, in Der Ruf, Der Strom und anderen Zeitschriften folgten. 1913 kam bei Kurt Wolff in der Reihe „Der jüngste Tag“ als Band 13 die erste Gedichtsammlung Die Spur heraus, die sich in Themenwahl und Stimmungslage noch weitgehend den Vorgaben der Literatur der Jahrhundertwende, besonders H. v. Hofmannsthals, R. M. Rilkes und R. Dehmels, verhaftet zeigt. Das ‚taedium vitae‘ des Fin de Siècle, Empfindungen existenzieller Ungeborgenheit, prägen vor allem jene Gedichte, in denen Kindheitsängste und -erlebnisse evoziert und zu dunkel getönten, gelegentlich auch künstlich harmonisierenden Bildern und Situationen gestaltet werden („Der kranke Knabe“; „Vanitas“; „Einsam“; „Der Selbstmord“). So ist die Absage an die erstarrte Wertewelt der Erwachsenen und des Bürgertums gleichermaßen als Reflex auf die oppositionelle Haltung des jüdischen Kaufmannssohns zu seinem Elternhaus zu verstehen wie als generationstypisches Moment; topischen Charakter haben auch die negative Zeichnung des Großstadtlebens und das Interesse für Außenseiter der Gesellschaft.

Ursprünglich veröffentlicht unter © J.B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH