Zusammenfassung
Die 1849 erschienene Posse mit Gesang in zwei Abteilungen und drei Aufzügen wurde am 1. Juli 1848 im Wiener Carl-Theater aufgeführt. Nestroys politische Komödie entstand inmitten der dramatischen Ereignisse des Revolutionsjahres 1848; als scharfsinnige Analyse trug dieses satirische Meisterwerk den unterschiedlichen Kräften der revolutionären Bewegung Rechnung, indem es mit seiner Zweiteilung („Die Revolution“, „Die Reaktion“) die künftige politische Entwicklung bereits vorwegnahm: Die Revolutionäre erwiesen sich als Dilettanten im politischen Alltag. Nestroy, selbst engagierter Anhänger der Revolution, sieht die Reaktion heraufziehen; dabei mischt er die politische Thematik mit traditionellen Possenmotiven so, dass Pathos gar nicht erst aufkommt. Nicht nur aus hehrem Idealismus beschließt der in allen Verkleidungskünsten beschlagene Journalist Ultra, auch dem deutschen Provinzidyll sein „Revolutiönchen“ zu besorgen, sondern auch, weil die Freiheit der Spießbürger ihm selbst die Hochzeit mit der in jeder Hinsicht attraktiven Frau von Frankenfrey in Aussicht stellt. Er verbindet das Nützliche mit dem Angenehmen, wenn er auszieht, um den Bürgermeister und seine absolutistische Clique zu übertölpeln. Der Bürgermeister unterschlägt nicht nur seinen Untertanen eine ihm übersandte Konstitution, sondern auch der von ihm umworbenen Frau von Frankenfrey das Testament ihres verstorbenen Gatten, der unvorsichtig genug war, sich in seiner letzten Stunde „den Ligorianern in die Arme zu werfen“. Der Bigotterie dieser listigen Jesuiten gilt Nestroys Satire, wenn Ultra in Ligorianertracht dem dummen Ratsdiener Klaus die politische Unterlassungssünde des Bürgermeisters entlockt. Auf seiner Seite weiß Ultra bei seinen Kabinettstückchen vor allem Krähwinkels Nachtwächter, der der Beamtenkarikatur Klaus schon deshalb verdächtig ist, weil er denkt. Vor allem der Bürgermeister ist jeder Art von Intelligenz abhold, weshalb es Ultra keineswegs schwer fällt, ihm im Gewand eines russischen Fürsten besagte Konstitution abzujagen. Der erste Teil findet seinen triumphalen Höhepunkt und Abschluss mit dem malerischen Einzug des als „europäischer Freiheits- und Gleichheitskommissär“ kostümierten Ultra, der den Krähwinklern die Freiheit verkündet.
Ursprünglich veröffentlicht unter © J.B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH
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Bibliographie
Literatur
G. Schmieder: Revolutionäre Entwicklung und ‚idealistische‘ Satire. Studien zu J. N.s 48er-Posse ‚Freiheit in Krähwinkel‘, 1981.
E. Reichmann: Konservative Inhalte in den Theaterstücken J. N.s, 1995.
J. Hein/C. Meyer: Theaterg'schichten. Ein Führer durch N.s Stücke, 2001, 237–240.
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Dittmar, W., KLL (2020). Nestroy, Johann Nepomuk: Freiheit in Krähwinkel. In: Arnold, H.L. (eds) Kindlers Literatur Lexikon (KLL). J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05728-0_12625-1
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